Geburtsstunde des Völkerstrafrechts

Neuartigkeit des Verfahrens

Der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess war in mehrfacher Hinsicht ein juristisches Novum: Erstmals saßen Staaten, die vollkommen unterschiedliche Regierungsformen und Verfassungen auswiesen, gemeinsam über einen besiegten Feind zu Gericht. Statt willkürlich Rache zu üben, wurde ein rechtstaatliches juristisches Verfahren angestrengt und erstmals in der Weltgeschichte wurden Individuen auf völkerrechtlicher Grundlage persönlich zur Rechenschaft gezogen.

Die Folgen von Nürnberg

Mit der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 erfolgte der Versuch einer Sicherung des Weltfriedens durch ein internationales Völkerrecht. Der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess und das ihm zugrunde liegende Londoner Statut vom 8. August 1945 waren von fundamentaler Bedeutung für die Entwicklung eines Völkerstrafrechts und für seine Durchsetzung. So ist das in Nürnberg abgehaltene Internationale Militärtribunal nicht zuletzt Vorbild für die Errichtung des heutigen Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag.

Die Nürnberger Prinzipien

Am 11. Dezember 1946 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf ihrer ersten Tagung einstimmig eine Resolution, die "die Prinzipien des Völkerrechts, die vom Statut des Nürnberger Tribunals und vom Urteil dieses Tribunals anerkannt wurden", bestätigte. Vier Jahre später legte die Völkerrechtskommission der UNO sieben Prinzipien vor, die bei der Vorbereitung eines Kodexes der Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit berücksichtigt werden sollten. Die Nürnberger Prinzipien waren nun nicht mehr nur auf die Verbrechen der Nationalsozialisten bezogen, sondern beanspruchten universale Gültigkeit.

1. Jede Person, welche ein völkerrechtliches Verbrechen begeht, ist hierfür strafrechtlich verantwortlich.

2. Auch wenn das Völkerrecht für ein völkerrechtliches Verbrechen keine Strafe androht, ist der Täter nach dem Völkerrecht strafbar.

3. Auch Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder sind für von ihnen begangene völkerrechtliche Verbrechen nach dem Völkerrecht verantwortlich.

4. Handeln auf höheren Befehl befreit nicht von völkerrechtlicher Verantwortlichkeit, sofern der Täter auch anders hätte handeln können.

5. Jeder, der wegen eines völkerrechtlichen Verbrechens angeklagt ist, hat Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Verfahren.

6. Folgende Verbrechen sind als völkerrechtliche Verbrechen strafbar:
 a. Verbrechen gegen den Frieden,
 b. Kriegsverbrechen,
 c. Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

7. Verschwörung zur Begehung der genannten Verbrechen stellt ebenfalls ein völkerrechtliches Verbrechen dar.