Die Dauerausstellung des Memoriums

Seit dem 20. November 2010 informiert die Dauerausstellung des Memoriums Nürnberger Prozesse am historischen Ort auf über 300 qm über das Gerichtsverfahren vor dem Internationalen Militärgerichtshof, vor dem sich führende Vertreter des nationalsozialistischen Regimes nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verantworten mussten. Thematisiert werden ebenfalls die von 1946 bis 1949 durchgeführten "Nürnberger Nachfolgeprozesse" und das Internationale Militärtribunal für den Fernen Osten, welches für Verbrechen eingerichtet wurde, die auf dem pazifischen Kriegsschauplatz begangen worden waren. Die Schau erweitert aber ihren Fokus auch auf die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen im geteilten Deutschland sowie die Entwicklung des Völkerstrafrechts ab den 1990er Jahren.

Die Dauerausstellung gliedert sich dabei in drei Bereiche. Der erste und größte Ausstellungsraum erläutert die Vorgeschichte, die Beteiligten und den Verlauf des Nürnberger "Hauptkriegsverbrecherprozesses". Der zweite Themenkomplex widmet sich der juristischen Verfolgung von NS-Verbrechen nach 1946. Eine Gesamtdarstellung der Nürnberger Nachfolgeprozesse zeigt Umfang und Dauer dieser Verfahren. Zudem vermitteln weitere ausgewählte Prozesse einen Überblick über den Umgang mit NS-Verbrechen im In- und Ausland. Im dritten Teil schließt die Auseinandersetzung mit dem Erbe von Nürnberg bis hin zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag den Ausstellungsrundgang inhaltlich ab.

Die Entstehung des Memoriums

Im Mai 2000 boten die Museen der Stadt Nürnberg erstmals an den Wochenenden öffentliche Führungen in dem historischen Sitzungssaal an. Diese erfreuten sich Jahr für Jahr wachsender Besuchszahlen. Insbesondere in Verbindung mit zahlreichen Veranstaltungen zum 60. Jahrestag des Prozessbeginns wurde deutlich, wie stark der Saal 600 als Stätte der Rechtsprechung über unermessliches Unrecht im internationalen kulturellen Gedächtnis verankert ist. Der als Provisorium eingerichtete Führungsbetrieb gelangte nach wenigen Jahren an seine Grenzen. Das ständig steigende Besuchsaufkommen führte zu der Erkenntnis, dass die damit verbundene Verpflichtung zu angemessener historischer Aufklärung ernst genommen werden müsse.

Im Oktober 2005 stellte das Kuratorium des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände das Projekt "Memorium Nürnberger Prozesse" erstmals öffentlich vor. Dem wissenschaftlichen Gutachten für die neue Einrichtung durch Prof. Dr. Christoph Safferling vom Juli 2006 folgten im Oktober des gleichen Jahres und im Juli 2007 die notwendigen Zusagen des Freistaats Bayern und des Bundes zur Finanzierung der Baukosten. Damit stand den konkreten Entwicklungsarbeiten für die neue Einrichtung nichts mehr im Wege.

Mit einer ersten Spezifikation zur Umsetzung der Inhalte des wissenschaftlichen Gutachtens begannen im Dezember 2007 die Arbeiten an der neuen Dauerausstellung. In einem geladenen Wettbewerb zur Ausstellungsgestaltung setzte sich der Entwurf des Büros Müller-Rieger aus München durch.

Im Dezember 2008 wurde der gesamte Ostbau des Nürnberger Justizgebäudes geräumt, im Januar 2009 begannen die ersten Abrissarbeiten. Im März wurde mit den Konstruktionsarbeiten für das Memorium begonnen, im Mai 2010 konnte der Bau offiziell an die Leitung des Memoriums Nürnberger Prozesse übergeben werden. Anschließend erfolgte der Einbau der Ausstellung, die am 21. November 2010 im Rahmen eines Festakts mit nationaler und internationaler politischer Beteiligung eröffnet wurde.

Konzept der Dauerausstellung

Die Ausstellungskonzeption verzichtet zugunsten eines dokumentarischen Charakters auf Objekte. Eine sachliche Darstellung soll dem Besucher die Möglichkeit geben, sich selbst ein "Urteil" über die Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen zu bilden.

Ausnahmen bilden zwei Teile der originalen Anklagebank, eine Kiste zum Transport von Dokumenten und der elektronische Schaltschrank, mit dem die Stromversorgung im Saal gesteuert wurde. Darüber hinaus sind an verschiedenen Stellen der Ausstellung originale Film- und Tonaufnahmen eingebunden, die einen lebhaften Eindruck vom Prozessgeschehen vermitteln. Zusätzlich bieten Medienterminals ein umfassendes Informationsangebot. Auf diese Weise ist eine Vertiefung der Ausstellungsinhalte individuell möglich.

Das wichtigste Exponat der Ausstellung ist der Schwurgerichtssaal selbst. Seit dem 1. März 2020 wird der Saal 600 nicht mehr für Gerichtsverhandlungen genutzt und wurde dadurch ein noch wichtigerer elementarer Bestandteil des Erinnerungsorts.

Ausstellungsgestaltung

Die Gestaltung der Dauerausstellung wurde durch das Büro Müller-Rieger, München realisiert. Die Ausstellungselemente fügen sich zu einer Rauminstallation, die symbolisch das juristische Ringen der vier beteiligten Prozessnationen widerspiegelt. Die eingebaute Ausstellungsarchitektur besteht aus hinterleuchteten Parallelogrammen, die sich in unterschiedliche Richtungen neigen - einerseits korrespondierend zur Schräge des Dachstuhls, andererseits transluzid und schwebend, wie die Papiere, die Beweismittel, die Protokolle und letztlich die Urteile, die geschrieben, gelesen, übersetzt und vervielfältigt wurden.

Thematische Schwerpunkte gliedern die Fläche: In der Nordwest-Ecke sieht sich der Betrachtende mit den Angeklagten konfrontiert. Im Zentrum stehen hier die zwei originalen Anklagebänke, die auf hellen, nahezu schwebenden Flächen wirkungsvoll in Szene gesetzt sind. Kernstück der Ausstellung des Hauptprozesses ist die um eine Bodengrafik herum gruppierte Darstellung der Prozessparteien, deren Anordnung im Saal 600 die Grafik vermittelt. Die als Umfassung aufgestellten Ausstellungselemente sind den Strategien der Ankläger, Verteidiger, Zeugen, Dolmetscher sowie der Richter gewidmet.