Erwerb von Zeichnungen von Henri Pelletier

Lordrichter Geoffrey Lawrence, der Vorsitzender Richter im Nürnberger "Hauptkriegsverbrecherprozess", von Henri Pelletier.

Verstärkt seit den 1990er Jahren zeigen eine unüberschaubare Menge verschiedenster Fernsehsendungen die filmische Überlieferung von den Nürnberger Prozessen immer und immer wieder. Seien es Reportagen über die Nachkriegszeit, Dokumentationen zur NS-Geschichte oder Sendungen, die sich direkt den Kriegsverbrecherprozessen widmen – die audiovisuelle Überlieferung der 13 zwischen November 1945 und April 1949 im Nürnberger Justizgebäude abgehaltenen Gerichtsverfahren gegen Hauptverantwortliche des nationalsozialistischen Deutschen Reichs sind sehr präsent und prägen die Wahrnehmung dieser Prozesse bis heute. Es war vor allem den Amerikanern ein großes Anliegen, mit fotografischen und besonders filmischen Dokumenten die Ereignisse in Nürnberg weltweit zu verbreiten und damit auch ihre historische Wahrnehmung in der Zukunft zu beeinflussen.

Ein fast unbemerktes Dasein hingegen fristen die bildnerischen Auseinandersetzungen mit den Prozessen. Dabei waren auch in Nürnberg, besonders während des "Hauptkriegsverbrecherprozesses", GerichtszeichnerInnen tätig. Ihre Produktionen sind weit weniger bekannt und prägend. Zeitgenössisch dienten sie der Illustration von Zeitungsartikeln. Beispiele aus französischen oder sowjetischen Zeitungen sind dabei besonders auffällig hinsichtlich der karikierenden Darstellung der Angeklagten.

Im Gegensatz dazu sind die Darstellungen des französischen Gerichtszeichners und Malers Henri Pelletier fast zurückhaltend. Sicher, auch sein "Göring" gerät ihm etwas psychologisierend als grobschlächtiger Kerl. Aber meistens lassen die Zeichnungen, die er mit großer Wahrscheinlichkeit nach eigener Anschauung im Gerichtssaal anfertigte, einen genauen Beobachter erkennen. Er war nicht nur in der Lage charakteristische Gesichtszüge festzuhalten, sondern in der "eingefrorenen" Bewegung auch die typischen Körperhaltungen und Bewegungsbilder.

Hierin liegt die Stärke der Studien und teilweise auch ausgearbeiteten Zeichnungen. Sie gehen über die fotorealistische Wiedergabe von Film und Fotografie hinaus und dringen zu wesentlichen Aspekten der Personen vor. Bemerkenswert ist, dass dem Künstler die deutschen Verteidiger offenbar sehr wichtig waren. Vielleicht war ihm als geübtem Beobachter von Strafprozessen deren Wichtigkeit für einen herausragenden Aspekt rechtsstaatlicher Prozessführung besonders präsent: die Wahrung der Angeklagtenrechte. Auch wenn diese Angeklagten ein bis dahin ungekanntes Unrecht verursacht hatten.

Durch viel Glück ist es uns gelungen, etwas über 60 dieser Zeichnungen im Original zu erwerben. Sie werden künftig ein wichtiger Bestandteil unserer Ausstellungskonzeptionen sein.