Das Luftbild stammt aus einer ganzen Serie von Aufnahmen aus dem Sommer 1944. Rüstungsminister Albert Speer hatte den Auftrag erteilt, bombengefährdeten Städte wie Nürnberg als Grundlage für einen späteren Wiederaufbau fotografisch zu dokumentieren. Von den rund 140 Aufnahmen aus Nürnberg zeigen die meisten die Altstadt. Das deutsche Flugzeug konnte im Unterschied zu den (feindlichen) Flugzeugen der Alliierten vergleichsweise tief fliegen, so dass viele Details gut erkennbar sind. Zu sehen ist in der oberen Bildhälfte der lang gestreckte Südfriedhof, in der linken oberen Ecke das Lager der Siemens-Schuckertwerke, darunter die Siedlungsbebauung der 1930er Jahre und in der rechten unteren Bildecke ein früheres Zeltlager für die Reichsparteitage mit vier auffälligen Stellungen der schweren Flugabwehr (Flak).
Erstmals veröffentlicht wurde dieses Foto zusammen mit anderen Aufnahmen aus dieser Befliegung im Jahr 1995 in dem Bildband "Bild und Erinnerung. Nürnberger Luftaufnahmen 1944" des früheren Vorsitzenden der Altstadtfreunde Erich Mulzer. In seinem Text zum Luftbild geht Erich Mulzer ausführlich auf die untere rechte Seite des Fotos ein: Er beschreibt detailliert die Flakstellungen, die damals auch mit Schülern des Melanchton-Gymnasiums als Luftwaffenhelfer besetzt waren. Bei einem Luftangriff am 8./9. März 1943 kamen vier der Schüler ums Leben. Mulzer schreibt abschließend:
"Das Jungengesicht eines der vier Schüler ist auf dem Grab 929 des Johannisfriedhofs abgebildet: daneben steht: Fritz Bosch, Gymnasiast, *10. Juni 1926, gab sein Leben für seine Vaterstadt als Flakhelfer bei dem englischen Luftangriff am 8./9. März 1943. Weiß die Stadt, die hier genannt wird, heute noch etwas davon?"
(Erich Mulzer: Bild und Erinnerung. Nürnberg Luftaufnahmen 1944, Nürnberg 1995. S. 108)
Mulzer fiel das Lager in der linken oberen Bildecke nicht auf – und 1995 war auch noch kaum jemandem bewusst, um was es sich bei diesem Lager handelte.
In der linken oberen Bildecke erkennt man nahe dem Haupteingang des Südfriedhofs ein Lager mit vier größeren Baracken und zwei kleineren, die quer zu ihnen stehen. Das von den Siemens-Schuckertwerken für Zwangsarbeiter errichtete Barackenlager war zunächst mit Zwangsarbeitern belegt, ehe Mitte Oktober 1944 rund 550 jüdische Frauen und Mädchen aus Auschwitz-Birkenau hierher transportiert wurden, um für die Siemens-Schuckertwerke Zwangsarbeit zu leisten.
Die Geschichte des Flossenbürger KZ-Außenlagers im Nürnberger Süden war lange Zeit in Vergessenheit geraten – auch Erich Mulzer wusste wahrscheinlich nichts darüber und konnte das Lager daher in seinem Buch auch nicht erwähnen. Erst neuere Forschungen des Stadtarchivs Nürnberg und Recherchen in Zusammenhang mit der Erstellung einer Ausstellung zur Lagergeschichte in Flossenbürg machten das KZ-Außenlager Nürnberg-Süd zum Thema.
KZ-Außenlager Nürnberg-Süd
Karte der KZ-Außenlager
Das Luftbild wurde uns zur Verfügung gestellt vom Bildarchiv Foto Marburg
www.fotomarburg.de