"About this Flag" – die Reise einer Hakenkreuzfahne aus den USA zurück nach Nürnberg

"It will be good to get it out of our house" – Hakenkreuzflagge, ausgebreitet über dem heimischen Sofa in Bainbridge Island, USA. (Privat/ D-DZO 0177-03)
Untersuchung im Studienforum des Dokumentationszentrums; dort befand sich ein genügend großer Tisch. (D-DZO-0177-01)Das Paket mit der Hakenkreuzfahne wurde beim Zoll überprüft und für das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände freigegeben. (D-DZO-0177-04)Amerikanischer Soldat entfernt Hakenkreuze an den Spitzen der Fahnenmasten des Zeppelinfeldes. (Repro aus: Erhard Mossack: Die letzten Tage von Nürnberg, Nürnberg 1952, S. 101/ D-0378)Umschlag-Vorderseite und letzte Seite des Romans "Barb – die Geschichte einer deutschen Frau", wo es um das Nähen einer Fahne geht. (Bibliothek Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände)Das Reichsflaggengesetz vom 15.9.1935 bestimmte die Hakenkreuzflagge zur "Reichs- und Nationalflagge". (D-0379)Beflaggte Lammsgasse und Neutorstraße beim Reichsparteitag 1938. (D-0380)
Objekt:

Hakenkreuzfahne aus Privathaushalt

Produzent:

Eigenproduktion, selbst genäht und Hakenkreuz gefärbt

Material:

roter Leinenstoff, aufgenähter weißer Stoff in Kreisform mit aufgemaltem Hakenkreuz

Maße:

150 cm breit und 350 cm lang

Datierung:

1930er Jahre

Sammlungsnummer:

DZO-0111

 

Eine Fahne mit Hakenkreuz als Souvenir

Im Jahr 2013 erreichte das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände eine ungewöhnliche Anfrage: Auf Vermittlung eines deutschen Verwandten meldete sich aus Bainbridge Island, nahe Seattle im äußersten Nordwesten der USA, Kenneth B. Klein, Sohn des amerikanischen Soldaten Ralph Klein, der ab Mai 1945 in Nürnberg stationiert war. Als Teil "friedenssichernder Maßnahmen", so die Erinnerung des Sohnes, untersuchten die Soldaten auch ausgebombte und leerstehende Häuser. Dort fand Ralph Klein eine alte Schreibmaschine, die er mit einem anderen amerikanischen Soldaten gegen eine große Hakenkreuzfahne tauschte. Diese stammte angeblich vom "Nürnberger Stadion" – so ein kurzer Text von Kenneth B. Klein mit dem Titel "About this Flag". Es war durchaus nicht ungewöhnlich, dass GIs Erinnerungsstücke vom Kriegseinsatz aus Deutschland mitnahmen. Besonders beliebt waren Objekte, die eindeutig dem Nationalsozialismus zuzuordnen waren. Auch viele der am Zeppelinfeld abmontierten Hakenkreuzverzierungen haben so ihren Weg in die USA gefunden. Die Fahne gelangte als Erinnerungsstück im Gepäck von Ralph Klein in den Bundesstaat Washington an der Westküste der USA. Sie stammte allerdings, wie sich noch herausstellen sollte, nicht vom "Nürnberger Stadion", wie das Reichsparteitagsgelände in den Erinnerungen des Sohnes bezeichneten wurde.

Ungeliebtes Erbe – was tun mit der riesigen Fahne?

Nach dem Tod des Vaters gelangte die Fahne als Erbe in den Haushalt von Kenneth B. Klein – nur was kann man anfangen mit einer über drei Meter langen Hakenkreuzfahne? So entschloss sich der neue Besitzer dazu, für das geschichtsträchtige Stück Stoff einer hoffentlich sinnvollen Verwendung zuzuführen – und da die Fahne aus Nürnberg stammte, sollte sie auch wieder in Nürnberg landen. Da das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände zehn Jahre nach seiner Gründung auch international bekannt war, entschloss sich die Familie zu einer Schenkung und schrieb dazu unter anderem: "It will be good to get it out of our house, to a place where it belongs." Allerdings blieb das Paket mit dem brisanten Inhalt zunächst bei den Nürnberger Zollbehörden hängen, welche die Sendung dann wegen des bekannten und unbedenklichen Empfängers freigaben. Schließlich war so sichergestellt, dass ein wissenschaftlicher Zweck verfolgt wurde. Eine sonstige Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole ist strafbar.

Was eine Hakenkreuzfahne über die Geschichte des Nationalsozialismus erzählen kann

Bei der nähern Untersuchung der Fahne stellte sich aber schnell heraus, dass sie nicht vom Nürnberger Reichsparteitagsgelände stammen konnte. Die Flaggen des Zeppelinfeldes und der Luitpoldarena trugen den Stempel "ZRN" für "Zweckverband Reichsparteitag Nürnberg", dem Bauherrn des Geländes. Trotz der eigentlich ansehnlichen Größe des Neuzugangs in der Sammlung des Dokumentationszentrums wäre zudem die Fahne zur Beflaggung auf dem Reichsparteitagsgelände doch zu klein gewesen. Zudem war die Fahne eindeutig selbst genäht – und damit war ein Zusammenhang zum Reichsparteitagsgelände auszuschließen, denn die dortigen Fahnen stammten von professionellen Herstellern. Die Familie war sich allerdings sicher, dass ihr Erbstück aus Nürnberg stammte und so ist davon auszugehen, dass sie als Schmuck eines Nürnberger Hauses zu den Festtagen des nationalsozialistischen Staates und auch während der Reichsparteitage gedient hat.

In den 1930er Jahren haben viele Haushalte den üblichen Fahnenschmuck nicht gekauft, sondern selbst genäht. Dies hat auch einen literarischen Niederschlag gefunden: Einer der populären Beststeller des Nationalsozialismus, der Roman "Barb – die Geschichte einer deutschen Frau" von Kuni Tremel-Eggert, endet damit, dass die Hauptprotagonistin Barb glücklich eine große Hakenkreuzfahne näht. "Die Buben, die vor Eifer glühen, halten den leuchtenden Stoff" und schließlich wird die Fahne aus dem Fenster gerollt – als Bekenntnis und Zeichen für die angeblich großartige neue Zeit des Nationalsozialismus.

 

 

Auch die unter der Nummer DZO-0111 im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände verwahrte Fahne zeugt von der freiwilligen Beteiligung vieler an den Festtagen des Nationalsozialismus. Im Roman ist es nicht ganz eindeutig, ob Barb eine schwarz-weiß-rote oder eine Hakenkreuzfahne näht. Beide Flaggen wurden zunächst parallel verwendet, waren jedoch in jedem Fall ein Bekenntnis gegen die Demokratie und für den NS-Staat. Mit dem Reichsflaggengesetz, eines der auf dem Reichsparteitag 1935 verkündeten Nürnberger Gesetze, würde die Hakenkreuzflagge offizielle Flagge des Deutschen Reiches. Tausende Hakenkreuzflaggen, -fähnchen und -wimpel wehten an den Häusern Nürnbergs während der Reichsparteitage.

Der Fahnenkult der Nationalsozialisten nahm bisweilen bizarre Formen an. So heißt es in dem Lied der Hitlerjugend abschließend: "Die Fahne führt uns in die Ewigkeit, ja die Fahne ist mehr als der Tod!" Die Hakenkreuzfahne zeugt auch davon, wie sehr Symbole und Ideale des Nationalsozialismus in die Gesellschaft eindrangen und Wirkung entfalteten.

Eine letzte, ganz andere Spur, ist auch noch an der Fahne zu finden: Unten ist ein Stück Stoff abgetrennt, wohl benutzt nach 1945 für einen anderen Zweck. In der Not der Nachkriegszeit wurde ein so großes Stück Stoff nicht weggeworfen, sondern aufgehoben für andere Zwecke. Im Bestand des Dokumentationszentrums finden sich auch abgetrennte runde weiße Stoffstücke mit aufgemaltem Hakenkreuz (D-DZO-0038). Der Rest, der rote Stoff der Fahne, wurde zu etwas Anderem umgearbeitet – denkbar ist beispielsweise ein Kinderkleid oder ein Kissenüberzug.

Geschichtszeuge und Ausstellungsobjekt

Darf man eine solche Hakenkreuzfahne ausstellen? Man darf und kann, es kommt auf die Ausstellungsstrategie an. Die Fahnen haben existiert und manche von ihnen haben die Zeiten überdauert. Sie erzählen als Träger von Geschichte etwas über die damalige Gesellschaft, über das freiwillige Mitwirken am neuen nationalsozialistischen Staat, über die Wirkungsmechanismen nationalsozialistischer Propaganda. Dem sollte man nicht ausweichen, sondern Strategien finden, wie ein derartiges Objekt, ohne kultige Inszenierung, in einer Ausstellung gezeigt werden kann. Das ist eine der Herausforderungen, mit denen sich das Wissenschaftsteam des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände zusammen mit den Ausstellungsarchitekten bei der Vorbereitung der neuen Dauerausstellung beschäftigen wird.


Weiterlesen, Weiterforschen:

Kuni Tremel-Eggert: Barb – die Geschichte einer deutschen Frau, München 1933
Daniel Hohrath (Hg.): Farben der Geschichte. Fahnen und Flaggen, Berlin 2007
Jörg-M. Hormann/ Dominik Plaschke: Deutsche Flaggen, Hamburg 2006

Reihe "Ans Licht geholt – aus der Sammlung des Dokumentationszentrums"

Text und Recherche: Alexander Schmidt
25.01.2022
Dank an den Spender Kenneth B. Klein und die Kontaktvermittlung durch Manfred Storck, Nürnberg
Textlizenz: CC BY SA 4.0
© Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände

Die Bilder dürfen nur nach Rücksprache mit dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände genutzt werden!
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