- Herausgeber:
NSDAP-Reichsleitung, Hauptamt NS-Frauenschaft
- Schriftleiterin:
Ellen Semmelroth (stellvertretend Renate von Stieda)
- Verlag:
Verlag der NS-Frauenwarte
- Erscheinungszeitraum:
1932-1945, meist alle zwei Wochen
- Titelbild:
Heinrich Agricola, München (1. Septemberheft 1939), bei den anderen Heften zahlreiche weitere Grafiker, Fotografen und Fotografinnen
- Umfang:
meist 32 Seiten mit Beilagen (Schnittmusterbögen, Beilage "Unsere Feierstunden")
- Beschreibung:
großformatige Zeitschriftenhefte mit zahlreichen Fotos im Heft, Anzeigenteil sowie (ab Ende 1936) farbigen Titelblättern
- Maße:
31 cm hoch, 24,5 cm breit, 0,3 cm dick
- Sammlungsnummer:
DZA 0116-01
Die NS-Frauenwarte – eine Zeitschrift für "hysterische Weiber in braunen Kartoffelsäcken"?
Ein stolzer Adler fliegt über dem fahnengeschmückten Zeppelinfeld – im Hintergrund die Nürnberger Burg. So wirbt die Zeitschrift NS-Frauenwarte im ersten Septemberheft 1939 für den bevorstehenden Reichsparteitag, der wegen des Kriegsbeginns dann nicht mehr stattfindet.
Im Bestand des Dokumentationszentrums befinden sich (Stand Ende 2020) aus den Jahren 1935 bis 1941 insgesamt 64 Hefte der Zeitschrift NS-Frauenwarte, die im Untertitel als "die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift" bezeichnet wurde. Es ist dies ein Bestand mit großen Lücken, der aber dennoch ein dichtes Bild dessen gibt, was die NS-Frauenwarte ihren Leserinnen vermitteln wollte.
Die Zeitschrift erschien vom Juli 1932 bis Anfang 1945 in zunehmend besserer Ausstattung, meist alle zwei Wochen, und bot neben politischen und kulturellen Themen auch Beiträge zur aktuellen Damenmode, Schnittmusterbögen, Romanfortsetzungen, Haushaltstipps, Preisausschreiben und einen Anzeigenteil. Gut verpackt, zum Beispiel bei der Darstellung von Kunstwerken, transportierte die keineswegs harmlose Zeitschrift auch blanken Rassismus und trug im Krieg dazu bei, die weibliche Heimatfront bei Stange zu halten. Die NS-Frauenwarte propagierte ein nationalsozialistisches Frauenbild, das sich geschmeidig an die jeweiligen Erfordernisse anpasste: Hausfrau und Mutter in Friedenszeiten, Unterstützerin des Mannes zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und schließlich vollwertige Arbeiterin in Rüstungsindustrie und Landwirtschaft im "Endkampf" des für das Dritte Reich doch eigentlich schon verlorenen Krieges.
Ihr Anspruch, die "einzige" Frauenzeitschrift der NSDAP zu sein, sollte eine geschlechtsspezifische Klarheit [oder Eindeutigkeit] andeuten, die es im äußerst widersprüchlichen Verhältnis der nationalsozialistischen Bewegung zu Aufgabe und Bedeutung der Frau nicht gab. Dies zeigt sich auch bei der Darstellung der Reichsparteitage in der NS-Frauenwarte und der Rolle von Frauen bei den Reichsparteitagen insgesamt.
Als zum ersten Reichsparteitag nach der Machtübernahmen 1933 die frühe Nationalsozialistin und "alte Kämpferin" Irene Seydel aus Westfalen mit nur wenigen anderen Frauen nach Nürnberg fuhr, musste sie ernüchtert feststellen, dass es in fünf Tagen Veranstaltungsprogramm keine einzige Veranstaltung für Frauen gab, und dass Hitler nationalsozialistisch organisierten Frauen angeblich als "hysterische Weiber in braunen Kartoffelsäcken" (siehe unten Koonz S. 181) bezeichnet hatte. Dies war für die überzeugten Nationalsozialistinnen frustrierend und kein zukunftsweisendes Konzept für die NSDAP, die eigentlich auch auf die Zustimmung von Frauen angewiesen war.
Die NS-Frauenwarte berichtete über derartige Frustrationen in ihrem zweiten Septemberheft 1933 als propagandistisch gesteuerte Zeitschrift natürlich nicht: Es ist zunächst ein namentlich nicht gekennzeichneter Text mit dem Titel "Nürnberger Bilder" im Blatt zu finden, in dem das Treiben in Nürnberg aus der Perspektive einer Frau weitgehend als "Zaungast" geschildert wird. Dem folgt ein Abdruck der Reichsparteitagsrede von Unterrichtsminister Hans Schemm im Kulturvereinshaus, welche "Die Aufgabe der deutschen Frauen in ihrem Volk" als Mütter und Erzieherinnen zum Nationalsozialismus darstellte. Inhaltlich hätte sich diese Veranstaltung an Nationalsozialistinnen gerichtet, fand aber 1933 noch ohne organisierte Beteiligung von Frauen statt.
Ergänzt wurde die Berichterstattung in der NS-Frauenwarte um einen Redebeitrag des NS-Funktionärs Walter Groß, der die männliche Dominanz der nationalsozialistischen Bewegung damit rechtfertigte, dass man sich vor 1933 als "Landsknecht" im Kampf befunden habe und so "zu einem gewissen Gegensatz zur Frau kommen musste". Mit derartigen Auslassungen bei weitgehender Abwesenheit von Frauen konnten die Aktivistinnen in der NSDAP 1933 aber natürlich nicht zufrieden sein.
Nach einigen internen Machtkämpfen und der Installierung der Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink, die allerdings einem Mann, dem Leiter des Hauptamts der NS-Frauenschaft Erich Hilgenfeld, unterstellt war, änderte sich das Reichsparteitagsprogramm auch in Bezug auf die Frauen grundlegend. Ab 1934 kann nun Gertrud Scholtz-Klink im strahlend weißen Kleid (und nicht in Kartoffelsackbraun) als einzige Frau bei den Reichsparteitagen jeweils eine Rede auf der neu geschaffenen Tagung der NS-Frauenschaft in der Luitpoldhalle halten. Auch Hitler selbst sprach meist im Anschluss. Die NS-Frauenwarte vermittelte im Anschluss das in der Propaganda gewünschte Nürnberg-Erlebnis in seitenlangen Zeitschriftenbeiträgen. Sie ähneln den Darstellungen Beiträgen in anderen illustrierten Zeitschriften, unterscheiden sich aber in einem Punkt: Sie sind von Frauen für Frauen geschrieben.
Die als "Schriftleiterin" der Zeitschrift fungierende Ellen Semmelroth veröffentlichte 1934 eine Doppelseite mit dem Titel "Wie ich den Reichsparteitag erlebte". Darin schildert sie ihr Nürnberg-Erlebnis als Teil einer durch Nürnberg wabernden Volksmasse, die aber (angeblich) durch und durch diszipliniert nur einen Focus habe – "man entdeckt und wird entdeckt und über allem steht der frohe Gruß: Heil Hitler!" In voller Länge werden danach auf acht Seiten die Reden der Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink und Adolf Hitlers bei der Tagung der NS-Frauenschaft abgedruckt. 1935 stellt die stellvertretende Schriftleiterin Renate von Stieda ihr Nürnberg-Erlebnis unter dem Titel "Auf dem Parteitag der Freiheit" in der NS-Frauenwarte dar, und 1936 schwärmt die Schriftstellerin Irma von Drygalski enthusiastisch von Szenen auf dem "Parteitag der Ehre": "‚So nah hab ich heut Morgen den Führer gesehen, wie er vorbeifuhr‘ ‚Stell dich mal da rüber – so – noch näher – so nah hab ich‘ – wieder dasselbe. Der Führer – immer wieder der Führer. Achtmal hat ihn die gesehn, und zwölfmal die. ‚Sechsmal den Führer, dreimal Göring, zweimal Goebbels.‘ ‚Viermal Hierl, einmal Himmler!‘ rufts dagegen, eine förmliche Börse der Begeisterung."
Die Beiträge ähneln sich in den folgenden Jahren und folgen stets dem gleichen Konzept – neben einem reportageartigen, begeisterten Artikel zum Nürnberg-Erlebnis werden die Reden von Scholtz-Klink und Hitler meist vollständig im Heft präsentiert. In vielen der mit zahlreichen Fotostrecken illustrierten Hefte, werden Bilder von namentlich genannten Fotografinnen verwendet – neben vielen Abbildungen des Fotokonzerns Heinrich Hofmann.
Propagandistische Berichte von den Reichsparteitagen bilden jedoch nur einen sehr kleinen Teil der Heftinhalte. Vor allem geht es in der NS-Frauenwarte um das vom Nationalsozialismus gewünschte Bild der Frau als Stütze des Mannes, Mutter in einer großen Familie und "Hüterin der Rasse". Auch scheinbar vor allem Männer betreffende Themen widmet sich die Zeitschrift: Im Juni 1937 geht es auf dem Titelbild der Zeitschrift und zwölf Seiten Text um die SS – mit einem Leitartikel von SS-Standartenführer Gunter d‘ Alquen und weiteren Beiträgen zu Rolle der Frau bezogen auf die SS, die das rassistische Weltbild dieser nationalsozialistischen Elite feiern. Auch ganze Hefte zu Adolf Hitler durften nicht fehlen, so zu seinem 50. Geburtstag im April 1939.
Das plötzliche Ende der Berichterstattung zu den Reichsparteitagen war dann eine Folge der kurzfristigen Absage des Reichsparteitags 1939. Das Titelbild mit dem Adlerflug über dem Zeppelinfeld und die allein zehn Seiten umfassende Vorberichterstattung deuten an, dass 1939 die Frau mit einer eigenen Ausstellung ("Frau und Mutter – Lebensquell des Volkes") und erstmals als Motiv auf der Reichsparteitagsplakette "einen besonderen Platz in Nürnberg einnehmen" sollte – so Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink im ersten Septemberheft der NS-Frauenwarte 1939. Es kam nicht mehr dazu: Im nächsten Heft der NS-Frauenwarte findet sich stattdessen ein Aufruf der Reichsfrauenführerin zum Kriegsbeginn.
Zum Weiterlesen im Netz:
Von der Universitätsbibliothek Heidelberg digitalisierte Hefte der Zeitschrift, allerdings nur Jahrgang 1935/36 und die Jahrgänge ab 1941, mit Volltextsuche.
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/frauenwarte
Tanja Sadowski: Die nationalsozialistische Frauenideologie: Bild und Rolle der Frau in der "NS-Frauenwarte" vor 1939, Mainzer Geschichtsblätter Heft 12, S. 161-190 [Aufsatz als pdf-Dokument, ohne dem Abbildungsanhang, der sich vor allem auf Mainz bezieht].
https://www.mainz1933-1945.de/fileadmin/Rheinhessenportal/Teilnehmer/mainz1933-1945/Textbeitraege/Sadowski_Frauenideologie.pdf
Lenka Kopecká: Das Bild der Frau in der NS-Zeitschrift "NS-Frauenwarte", Univerzita Palackého v Olomouci 2015 [online veröffentlichte Bachelor-Arbeit an der Universität Olmouce (Olmütz) im Osten Tschechiens vor allem auf Basis des lückenhaften Bestands der digitalisierten Hefte der Universität Heidelberg].
https://theses.cz/id/xkfj76/BP_Kopecka_Lenka.pdf
Zum Weiterlesen in der Bibliothek:
Ein großer Bestand der Zeitschrift (fast vollständig für die Jahre 1932 bis 1939) ist in der Universitätsbibliothek Erlangen zu finden: H00/Ztschr. A 185. Dies ergänzt die online gestellten Jahrgänge der Universitätsbibliothek Heidelberg.
Laura Benzow: "Frauen und Mädchen, die Juden sind euer Verderben!" Eine Untersuchung antisemitischer NS-Propaganda unter Anwendung der Analysekategorie Geschlecht, Hamburg 2016 (S. 116–122 zur NS-Frauenwarte).
Kirsten Döring/Renate Feldmann: Von "N.S. Frauen-Warte" bis "Victory". Konstruktionen von Weiblichkeit in nationalsozialistischen und rechtsextremen Frauenzeitschriften, Berlin 2004 (S. 88–116 zur NS-Frauenwarte).
Sabine E. Koesters Gensini: Kommunikationsstrategien zur Vermittlung beruflicher Identitäten in der Zeitschrift NS Frauen-Warte, in: Heidrun Kämper/Britt-Marie Schuster (Hg.): Sprachliche Sozialgeschichte des Nationalsozialismus, Bremen 2018, S. 107–126.
Claudia Koonz: Mütter im Vaterland. Frauen im Dritten Reich, Reinbek bei Hamburg 1994, (Zitat "hysterische Weiber" S. 181).
Femke de Kort: Weibliche Arbeit im Nationalsozialismus. Propagandistische Darstellungen in der NS-Frauenwarte, in: Karin Bürkert/Matthias Möller (Hg.): Arbeit ist Arbeit ist Arbeit ist... gesammelt, bewahrt und neu betrachtet, Tübingen 2019, S. 119–127.
Stephanie Marchel/Andreas Zeising: "Aus des Blutes Stimme" – Vermittlung und (Re-)kontextualisierung von NS-Kunst in der Zeitschrift NS-Frauenwarte, in: Silke von Berswordt-Wallrabe/Jörg-Uwe Neumann/Agnes Tietze (Hg.): Kunst und Politik im Nationalsozialismus, Bonn 2016, S. 89–101.
Julia Siep: Nationalisierte Mütterlichkeit als Phänomen der Moderne. Frauenzeitschriften in Japan, Deutschland und Italien in den 1930er Jahren, München 2011.
Silvia Taschka/Alexander Schmidt: Mutterfrau und "Helferin im Kampfe des Mannes". Frauen auf den Nürnberger Reichsparteitagen, in: Nadja Bennewitz/Gaby Franger (Hg.): Am Anfang war Sigena. Ein Nürnberger Frauengeschichtsbuch, Cadolzburg 1999, S. 211-222.
Reihe "Ans Licht geholt – aus der Sammlung des Dokumentationszentrums"
Text und Recherche: Alexander Schmidt
14.12.2020
Textlizenz: CC BY SA 4.0
© Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände
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