Grundsteinlegung der Kongresshalle 1935
Große Bühne für einen völkisch-architektonischen Neustart

Verlesung der Grundsteinurkunde der Kongresshalle durch Hanns Kerrl, Presseillustrationen Hoffmann, 11.09.1935. (DZ-Ph-1422)
Rückseite des Fotoabzugs der Verlesung der Grundsteinurkunde der Kongresshalle durch Hanns Kerrl, Presseillustrationen Hoffmann, 11.09.1935. (DZ-Ph-1422)Liebel am Rednerpult mit den Zuhörern Rudolf Hess, Adolf Hitler, Franz Ruff (im Frack), Julius Streicher (Gauleiter Franken), Adolf Wagner (Gauleiter München) und Franz Xaver Schwarz (Schatzmeister der NSDAP). (DZ-Ph 282.2)Hanns Kerrl verliest die Grundsteinurkunde. (Postkartensammlung 691)Hitler schließt den Rundstein mit drei Hammerschlägen. (Postkartensammlung 673)Platz der Grundsteinlegung, Illustrierter Beobachter 12.08.1935. (D216.1)Vorbereitungen zur Grundsteinlegung. (DZ-Ph 547.2)Reproduktion der Urkunde zur Grundsteinlegung der Kongresshalle. (DZA 64)Grundsteinschatulle geschlossen. (Stadtarchiv Nürnberg A 8/FO-517)Grundsteinschatulle geöffnet. (Stadtarchiv Nürnberg A 8/FO-517)Der unvollendet gebliebene Bau der Kongresshalle beherbergt in einem der Kopfbauten das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Luftbild Nürnberg/ Hajo Dietz (2020)
Objekt:

Originalabzug eines Pressefotos von der Grundsteinlegung der Kongresshalle, 11.09.1935

Maße:

18 cm breit, 13 cm hoch

Material:

zeitgenössisches Fotopapier

Hersteller:

Presse Illustrationen Hoffmann, Berlin (Stempel auf der Rückseite)

Sammlungsnummer:

DZ-Ph 1422

Der 11. September 1935 war für Nationalsozialisten beim Reichsparteitag in Nürnberg und in ganz Deutschland kein gewöhnlicher Tag: Die Grundsteinlegung für die Kongresshalle stand an – ein Neubau, der bisherige Dimensionen sprengte. Dementsprechend großspurig war die Inszenierung und auch das mediale Interesse war enorm: Film- und Fotokameras dokumentierten das Ereignis, dessen Ablauf sich daher gut nachvollziehen lässt.

 

Aufmarsch führender Nazis am Dutzendteich – von Streicher über Riefenstahl bis Hitler

Ein Pressefoto [Bild 1], 2021 vom Dokumentationszentrum erworben, zeigt eine Szene bei der Grundsteinlegung mit Adolf Hitler in der Bildmitte, links Hanns Kerrl vom Zweckverband Reichsparteitag Nürnberg (ZRN) beim Verlesen der Grundsteinurkunde und im Hintergrund den Nürnberger Oberbürgermeister Willy Liebel. Umringt werden die prominenten Herren von traditionell gekleideten Maurergesellen, welche den ausgehöhlten Grundstein im Zentrum des Bildes später mit einer massiven Steinplatte verschließen werden. Im Hintergrund sind zahlreiche Zuschauer auf einer eigens errichteten Holztribüne zu sehen. Der Fotoabzug stammt vom Pressekonzern Heinrich Hoffmann, der den Vorgang aus unterschiedlichen Blickwinkeln fotografiert und weiterverbreitet hat. [Bild 2]

Das Bild zeigt den letzten Teil der Grundsteinlegung. Zuvor hatte bereits Oberbürgermeister Liebel als Geschäftsführer des Zweckverbands gesprochen, der als Bauträger des Reichsparteitagsgeländes fungierte. Diese Szene ist auf einem Foto aus dem Album von Josephine Ruff festgehalten, der Ehefrau des für die Kongresshalle zuständigen Architekten Franz Ruff. Es zeigt Liebel am Rednerpult zusammen mit ihrem Mann. Die ersten Pläne stammten übrigens von dessen Vater Ludwig Ruff (verstorben 1934), denn die Stadt Nürnberg hatte schon länger mit einem Nachfolger für die Luitpoldhalle am Ufer des Dutzendteichs geliebäugelt.

Hitler hielt nach Willy Liebels Rede nur eine sehr kurze Ansprache und Hanns Kerrl verlas als Leiter des Zweckverbands abschließend den Text der Grundsteinurkunde. "Reichshandwerksführer" Wilhelm Georg Schmidt (links neben Kerrl) durfte dazu die Grundsteinurkunde halten. Auch davon liegt ein Foto im Dokumentationszentrum vor. [Bild 4] Es stammt von einem lokalen Akteur, der Arbeitsgemeinschaft Nürnberger Photographen "A.G.N. Phot. Nbg. Rosenaustr. 6"., die in Konkurrenz zum Medienkonzern Heinrich Hoffmann ebenfalls vom Geschäft mit den Reichsparteitagsfotos profitieren wollte. Auf dem Foto kann man links die große Kiste erkennen, die danach in den Grundstein versenkt werden sollte. Rechts steht eine mit zwei Ringen und durchgestecktem Holzstab versehene Steinplatte zum Verschließen des Grundsteins.

Zum Abschluss der Grundsteinlegung schlug Hitler mit einem kleinen, eigens von einem Nürnberger Goldschied angefertigten Grundsteinhammer und sprach dazu die Worte "Stehe fest und rede als ewiger Zeuge". Auch diese Szene ist als Fotopostkarte festgehalten, diesmal wieder von Heinrich Hoffmann. [Bild 5] Die silberne Kassette für den Grundsteinhammer befindet sich heute im Stadtarchiv.

Sie ist auch in einem Film zu sehen (s.u.), der offenbar von städtischer Seite im Kontext der Baustellendokumentation gedreht worden war. Er zeigt Szenen unmittelbar vor der Grundsteinlegung: Julius Streicher kommt an, setzt sich zu Joseph Goebbels in die erste Reihe und Leni Riefenstahl läuft lächelt auf die Kamera zu. Der Film dokumentiert auch die hektische Betriebsamkeit von OB Liebel, der vielleicht Halspastillen zu sich nimmt, Baureferent Brugmann und anderen Beteiligten: Nichts soll schief gehen!

Inszenierte Bedeutsamkeit – der erste Grundstein auf dem Gelände

Für die Grundsteinlegung war eine ganze Waldfläche gerodet worden – ein kleiner Vorbote dessen, was mit dem Bau der Kongresshalle noch an Natur- und Landschaftszerstörung folgen sollte. In den Texten zur Grundsteinlegung wurde der neue Festplatz gefeiert und in der Parteizeitschrift Illustrierter Beobachter als Luftbild verbreitet. [Bild 6] Bereits die Vorbereitungen wurden fotografiert wie die Lieferung des Grundsteins durch ein Unternehmen aus der Oberpfalz, die Gebrüder-Frank-Werke aus Kirchenlamitz, die sich stolz den Pressevertretern präsentierten [Bild 7].

Mit der Grundsteinlegung wurde der erste wirklich große Neubau des nationalsozialistischen Staats in Angriff genommen, der für die Zukunft modellhaft sein und noch nach Jahrtausenden wirken sollte. Für Luitpoldarena und Zeppelinfeld gab es keine Grundsteinlegungen, denn diese Areale bauten auf vorhandenen Strukturen auf.

Die Reden von Willy Liebel und Adolf Hitler – ein Programm deutschen Größenwahns

Oberbürgermeister Liebels Rede wurde in der Fränkischen Tageszeitung unter der Überschrift "Das Denkmal einer großen Zeit" abgedruckt. Er stellte die planerische Entstehung aus seiner Sicht dar und Hitlers angeblich großen Anteil an dem Bauprojekt. Liebel sprach Hitler mehrfach unterwürfig direkt an und pries das "grandiose Bauwerk" als "architektonische Darstellung der Volkwerdung der deutschen Nation und ihrer tiefsten Geschlossenheit im nationalsozialistischen Deutschland." Der Bau sei bestimmt, "die Macht und Wucht der nationalsozialistischen Bewegung zu überliefern."

Auch Hitler brachte dies in seiner kurzen Ansprache auf den Punkt: "An diesem heutigen Tage setzen wir dieser neuen Welt des deutschen Volkes den Grundstein ihres ersten großen Denkmals. Eine Halle soll sich erheben, die bestimmt ist, die Auslese des nationalsozialistischen Reiches für Jahrhunderte alljährlich in ihren Mauern zu versammeln. Wenn aber die Bewegung jemals schweigen wird, dann wird noch nach Jahrhunderten dieser Zeuge hier reden. Inmitten eines Haines uralter Eichen werden dann die Menschen diesen ersten Riesen unter den Bauten des Dritten Reiches in ehrwürdigem Staunen bewundern."

Die Urkunde, die Hanns Kerrl als Leiter des Zweckverbands Reichsparteitag Nürnberg verlas und die seine Unterschrift trug, gab der Hoffnung Ausdruck, dass der "gewaltige Bau" noch auf Jahrtausende hinaus dem Parteikongress der NSDAP eine Stätte bieten werde. [Bild 8]

Dies alles ist Nürnberg erspart geblieben. Vier Jahre nach der Grundsteinlegung wurde das Bauprojekt Kongresshalle wegen des Kriegsbeginns eingestellt. Der Bau stand 1945 unvollendet und ohne Dach da. Trotzdem ist die Kongresshalle, wie die Reden bei der Grundsteinlegung zeigen, als Ausdruck nationalsozialistische Ideologie und als Denkmal für die nationalsozialistische Partei zu verstehen. Besonders deutlich wird dies, wenn man die Kiste und ihren Inhalt betrachtet, die im Grundstein versenkt wurde.

 

 

Der rassistische Inhalt des Grundsteins

Auf dem Deckel der Kiste für den Grundstein [Bild 9] erkennt man das sogenannte "Deutsche Handwerkszeichen", welches Reichspräsident Hindenburg 1934 noch vor seinem Tod gestiftet hatte. Der Hammer, der den Ring schließt, steht für die Vollendung eines Werkstücks durch handwerkliche Arbeit. Hammerstil, Eichblatt und Eichel sind in Form der sogenannten Hagal-Rune angeordnet und stehen für die gewünschte Einordung des Handwerks in eine völkische Lebensordnung. Das Handwerkszeichen wurde noch bis 1994 vom Deutschen Handwerkerbund verwendet.

Schon mit dieser aus Metallplatten und mit massiven Nietenbändern gefertigten Kiste landet man also tief im völkisch-rassistischen Gedankengut. Dies gilt umso mehr für ihren Inhalt: Auf einem weiteren Foto [Bild 10] ist eine runde Kapsel zu erkennen, die wohl die Grundsteinurkunde enthielt, sowie eine großformatige und mehrere kleinere Boxen. Üblicherweise werden dort Dokumente aus der Zeit der Grundsteinlegung der Nachwelt überliefert, genaue Informationen, was dem Grundstein der Kongresshalle mitgegeben wurde, haben wir nur durch eine Bemerkung von Alfred Rosenberg. Der nationalsozialistische Ideologe und Autor des rassistischen Buches "Mythos des 20. Jahrhunderts" schreibt ein Jahr nach der Grundsteinlegung in sein nur sporadisch geführtes Tagebuch: "In Nürnberg wächst die größte Kongresshalle der Welt. In allen kommenden Jahren u. Jahrhunderten soll dort das Bekenntnis zum ewigen Deutschland abgelegt werden. Und in den Grundstein dieses Riesenhauses sind für alle Zeiten zwei Werke eingemauert: 'Mein Kampf' und der 'Mythos'."

Der Grundstein und die Kongresshalle in der Gegenwart

Der Grundstein der Kongresshalle war demnach symbolträchtig mit den antisemitischen und rassistischen Grundwerken des Nationalsozialismus gefüllt worden. Ob er sich noch irgendwo befindet, ist unbekannt und letztlich auch gleichgültig. Geblieben ist der Baukörper, der ab 1935 entstand und, obwohl unvollendet geblieben, bis heute eine der größten baulichen Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus ist.

Schon der erste Stein für dieses Gebäude war ein Denkmal des Judenhasses und des Rassismus, den die Autoren Hitler und Rosenberg vehement und aggressiv vertreten haben. Deshalb kann die architektonische Gestaltung des ersten Monumentalbaus des Dritten Reichs als Ausdruck einer unmenschlichen Gesinnung bezeichnet werden. Bei zukünftigen Nutzungen sollte dies ernsthaft bedacht werden.

Film (Zusammenschnitt) von den Vorbereitungen zur Grundsteinlegung für die Kongresshalle am 11. September 1935 (.mp4-Datei 282 MB)


Quellen:

Zitate von Reden bei der Grundsteinlegung:

Fränkische Tageszeitung, 12.09.1935

Die Zitate finden sich auch in den zeitgenössischen Publikationen zum Reichsparteitag 1935, z.B.:

Der Parteitag der Freiheit vom 10.-16. September 1935. Offizieller Bericht über den Verlauf des Reichsparteitags mit sämtlichen Kongreßreden, München 1935, S. 41-48

Alfred Rosenberg, Tagebucheintrag 12.08.1936, zitiert nach: Jürgen Matthäus/ Frank Bajohr (Hg.): Alfred Rosenberg. Die Tagebücher von 1934 bis 1944, Frankfurt am Main 2015 S, 192f

Zum Weiterlesen:

Hans Christian Täubrich (Hg.): Die Kongresshalle Nürnberg. Architektur und Geschichte, Petersberg 2014

Alexander Schmidt: Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, Nürnberg 2017, S. 46-55


Reihe "Ans Licht geholt – aus der Sammlung des Dokumentationszentrums"

Text und Recherche: Alexander Schmidt
11.09.2025

Textlizenz: CC BY SA 4.0
© Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände

Die Bilder dürfen nur nach Rücksprache mit dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände genutzt werden! Bildrechte des Stadtarchivs Nürnberg müssen dort erfragt werden.
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