Der Reichsparteitag als Volksfest
Pressebilder der Berliner Fotoagentur Atlantic

Konvolut von neun Fotos der Agentur Atlantic mit teil ungewöhnlichen Motiven, 1937 und 1938 (DZ-Ph 1305-00).
Stempel der Agentur Atlantic mit Logo des Reichsverbands der Deutschen Bildberichterstatter (R.D.B.) und Stempel der Wiener Agentur Schostal (DZ-Ph 1305-08, Rückseite).Frauen des Reichsarbeitsdienstes beim Reichsparteitag 1937, originale Bildbeschriftung: "Weiblicher Arbeitsdienst erstmals beim Parteitag. Antreten zum Bockwürsteempfang" (DZ-Ph 1305-02).Politische Leiter vor Verkaufsständen im Lager 1937 oder 1938, originale Bildbeschriftung: "Im Lager der Politischen Leiter" (DZ-Ph 1305-07).Szene in einem Zelt des Lagers der NS-Ordensburgen, 1937, originale Bildbeschriftung: "Im Standquartier der NS-Ordensburgen" (DZ-Ph 1305-09).Volkstanzgruppe und Zuschauer beim Reichsparteitag 1938 auf dem Hauptmarkt, originale Bildbeschriftung: "Steiermärker tanzen in ihrer hübschen Tracht auf dem Adolf-Hitler-Platz" (DZ-Ph 1305-01).
Hersteller:

Agentur Atlantic, Berlin

Vertrieb:

Agentur Atlantic/ Agentur Schostal

Datierung:

1937 und 1938

Beschreibung:

9 Pressebilder; Originalabzüge auf Fotopapier, rückseitig gestempelt und mit Bildtext beklebt

Maße:

13 cm x 18 cm (Hoch- und Querformate)

Sammlungsnummern:

DZ-Ph 1305-00 bis -09

Bockwürste, Tanz, Kaffeestände, Lagerleben mit Akkordeonmusik – die nationalsozialistische Presse stellte beim Reichsparteitag auch das Besondere eines gemeinsamen Erlebnisses in den Vordergrund. Reichsparteitag – das sollte nicht nur Dienst und Pflicht, sondern eben auch Vergnügen und Gemeinschaftserlebnis sein.
Neben dem Foto- und Medienkonzern des Hitler-Fotografen Heinrich Hoffmann belieferten auch andere große und kleine Agenturen sowie zahlreiche selbstständige Fotografen die damaligen Printmedien. Dies spiegelt sich auch in der Fotosammlung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände wider, in der sich unter anderem ein kleines Konvolut von Originalabzügen befindet, die auf der Rückseite die Stempel "Atlantic Photo-Ges.m.b.H." und "Agentur Schostal" tragen.

 

Die Rückseite der Fotoabzüge

Die Atlantic-Photogesellschaft mit Sitz in Berlin war eine der größeren Firmen beim Vertrieb von Fotos und wohl die erste Firma in Deutschland, die sich ausschließlich auf Pressefotografie konzentrierte. Als "Bildnachrichtenbüro" mit eigener Fotoproduktion beschäftigte die Atlantic-Photogesellschaft Mitte der 1930er Jahre 18 kaufmännische Angestellte und Bildberichterstatter sowie 11 Laboranten. Sie gehörte dem Reichsverband der Deutschen Bildberichterstatter (R.D.B.) an, dessen Logo einen Adler zeigt, der über einem Mann mit Fotoapparat in der Hand thront. Beide scheinen einen Punkt in der Ferne zu fixieren. Der Slogan "Fördert Deutsche Arbeit" als Teil des Firmenstempels war auch eine Aufforderung, die deutsche Fotoagentur gegenüber ausländischer (oder gar jüdischer) Konkurrenz zu bevorzugen. Der zweite Stempel "Agentur Schostal" verweist darauf, dass die Abzüge auch durch die Wiener Fotoagentur von Robert F. Schostal in Österreich vertrieben wurden.

"Antreten zum Bockwürsteempfang"

1937 nehmen zum ersten Mal nicht nur die Männer des Reichsarbeitsdienstes, sondern auch weibliche Mitglieder des Reichsarbeitsdienstes am Reichsparteitag in Nürnberg teil. Dies wurde propagandistisch besonders herausgestellt: Eine Abordnung des Reichsarbeitsdienstes bekam einen Ehrenplatz auf der Zeppelintribüne, Hitler begrüßte Reichsarbeitsdienstführerinnen persönlich mit Handschlag. Nicht nur davon lieferte die Bildberichterstattung Bilder, sondern es sollte mit einem Foto, benannt "Antreten zum Bockwürste-Empfang", auch die gute Versorgung und die lockere Stimmung unter den neuen Teilnehmerinnen des Reichsparteitags deutlich werden.

Gute Laune, Kuchen und Kaffee

Für gute Stimmung stehen auch zwei weitere Fotos vom Reichsparteitag 1937 der Agentur Atlantic: Im Lager der Politischen Leiter, der Funktionäre der NSDAP, welche die größte Gruppe der Parteitagsteilnehmer stellen, sind Verkaufsstände für Kaffee und Backwerk sowie ein "Nürnberger Wurst- und Brotverkauf" aufgebaut. Die Herren lassen es sich, zum Teil leger im Unterhemd, schmecken.
Hoch herzugehen scheint es auch in einem Zelt des Lagers der NS-Ordensburgen an der Regensburger Straße. Die Schüler der nationalsozialistischen Eliteschulen wie Vogelsang oder Sonthofen sind eine weitere neue Gruppe unter den Reichsparteitagsteilnehmern mit eigenem Lagerareal – und scheinen hier einen entspannten Moment zu erleben. Betrachtet man das Foto mit dem Titel "Im Standquartier der NS-Ordensburgen" allerdings genauer, fällt doch ein inszenierter Charakter des Fotos auf. Niemand singt mit, manche der Herren sitzen fast teilnahmslos da, nur wenige lächeln. Eine Gruppe Männer, die wohl vom Waschen kommt, wirkt wie dazwischen gestellt in die Menge von an Tischen sitzenden, meist korrekt gekleideten Ordensburgschülern, deren Uniformen akkurat an einer Stange links aufgereiht sind. Lagerleben war auch eine Chiffre für "Volksgemeinschaft" und wurde entsprechend inszeniert.

 

 

Tanz auf dem "Adolf-Hitler-Platz"

Auf dem Reichsparteitag 1938 mit dem programmatischen Titel "Reichsparteitag Großdeutschland" war besonders der sogenannte "Anschluss" Österreichs ein wichtiges Thema. Man gab sich dabei auch durchaus volkstümlich. So wurde (sicherlich nicht spontan) von einer Trachtengruppe aus der Steiermark ein Volkstanz auf dem Hauptmarkt (damals "Adolf-Hitler-Platz") aufgeführt. Trachten sollten auch die Zugehörigkeit der jeweiligen Gegend zum "Großdeutschen Reich" symbolisieren und gleichzeitig die Volkstümlichkeit der Reichsparteitage zeigen. Volkstanzgruppen und Volksfestvergnügungen waren so fester Bestandteil der Reichsparteitage, nicht nur in den großen Hallen der "Kraft-durch-Freude-Stadt" am Valznerweiher, sondern auch auf dem Zeppelinfeld oder wie hier auf dem Hauptmarkt.

In der Sammlung des Dokumentationszentrums befinden sich durch Ankauf insgesamt neun originale Fotoabzüge der Agentur Atlantic. Es ist dies nur ein kleiner Ausschnitt der Bildproduktion dieser Agentur, deren Bestände zum größten Teil im Deutschen Historischen Museum Berlin verwahrt werden – und es ist nur ein winziger Teil der Flut an Fotografien von den Reichsparteitagen.

Literaturhinweis:
Diethard Kerbs (u.a. Hg.): Die Gleichschaltung der Bilder. Zur Geschichte der Pressefotografie 1930-1936, Berlin 1983

Reihe "Ans Licht geholt – aus der Sammlung des Dokumentationszentrums"

Text und Recherche: Alexander Schmidt
05.05.2020
Textlizenz: CC BY SA 4.0
© Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände

Die Bilder dürfen nur nach Rücksprache mit dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände genutzt werden!
Kontaktformular