Neuentdeckung: Die Baustofffirma FRAWI in der Nachkriegszeit

Auf den Freiflächen und in den Produktions- und Trockenhallen der Firma FRAWI im Innenhof der Kongresshalle wurden die Bauteile gelagert. (D 1315-13)
Die Montage zeigt erste Entwürfe für ein Firmenlogo und den Firmengründer Franz-Josef Wild. (D 1315-0, D 1315-11)Das "fränkische Lego"-System: Mit einer Maschine wurde das Baustoffgemisch in Form gepresst und zum Trocknen ausgelegt. (D 1315-25)Die FRAWI stellte auch Treppen-Elemente her, die auf dem Schaugelände an der Kongresshalle gezeigt wurden. (D 1315-5, D 1315-41)Das Luftbild des Hochbauamts stammt aus der Broschüre "Vorschläge über die Verwendungsmöglichkeiten der ehemaligen Kongresshalle" vom August 1955. (Foto: Stadt Nürnberg)Ein Blick ins Firmenalbum, das Claus Merk aus dem Fotonachlass der Schwiegereltern zusammengestellt hat. (Foto: D 1315-48)
Objekt:

Digitales Bildkonvolut der Firma FRAWI

Beschreibung:

Original-Fotografien der Firmengeschichte, zusammengestellt und kontextualisiert von Claus Merk; dem Dokumantationszentrum zur Digitalisierung überlassen im Oktober 2021.

Sammlungsnummer:

D-1315-1 bis D-1315-49

Niemand im Team des Dokumentationszentrums glaubte im Herbst 2021 daran, dass im Zusammenhang mit der Kongresshalle noch fundamental Neues zu entdecken wäre, als uns eine Mail von Claus Merk erreichte. Der Nürnberger Unternehmer lud – angeregt durch die aktuelle Diskussion um die Erweiterung der kulturellen Nutzung – dazu ein, das Fotoalbum der Firma seiner verstorbenen Verwandten Franz Josef und Irmgard Charlotte Wild durchzublättern, den Großeltern seiner Frau. Sie hätten in der unmittelbaren Nachkriegszeit in der Kongresshalle jahrelang erfolgreich Baustoffe für den Wiederaufbau Nürnbergs produziert. Das sei wohl gar nicht bekannt?

 

Firmengründung auf der "Müllhalde" Reichsparteitagsgelände

Als Franz Josef Wild (geb. 21.03.1893 in Schwäbisch-Gmünd) am 12. August 1947 in Nürnberg ein Gewerbe anmeldete, fehlte ihm noch ein griffiger Name für seine Firma: "Herstellung von Baustoffen aus aufbereitetem Trümmerschutt" war nichts für einen Briefkopf oder eine Werbeanzeige, sagte aber genau das aus, wofür ihn die Nürnberger Stadtverwaltung angeworben hatte.

Der als Geschäftsführer der Stuttgarter "Beton- und Monierbau A.G." von Eutingen im Schwarzwald nach Franken gekommene Bauingenieur sollte künftig in seinem eigenen Unternehmen den Trümmerschutt aus den von Bomben schwer getroffenen Stadtteilen zerkleinern lassen und dann möglichst schnell wiederverwerten," erinnert sich Claus Merk. Baumaterial wurde händeringend gebraucht, denn vor allem die zu 90% zerstörte Altstadt glich eher einer "Schutthalde" als einer Stadt, wie der Schriftsteller Alfred Kerr 1947 nach einem Besuch in Nürnberg schrieb.

Aus dieser Zeit ist ein grafisches Brainstorming für einen griffigen Firmennamen überliefert: Wild beschloss, die ersten Hälften seines Vor- und seines Nachnamens zusammenzuziehen und über einem Fertigbau-Element für Treppen zu arrangieren. Das Logo wurde zwar später von einem anderen Symbol abgelöst, aber damit war die Firma FRAWI geboren!

Tatsächlich hatte der findige Bauingenieur ein Verfahren entwickelt, mit dem der Bauschutt, der in einer Zertrümmerungsanlage zerkleinert worden war, wieder aufbereitet und möglichst rationell zu Hohlblocksteinen gepresst werden konnte. Für eine serielle Produktion des begehrten Baustoffs mit hohen Stückzahlen benötigte er großzügige Produktions- und Lagerflächen, die sich möglichst in der Nähe der Schutt-Lagerplätze der Stadt befinden und abschließbar sein sollten, denn Rohstoffe waren begehrtes Schmuggelgut auf dem Schwarzmarkt.

Zunächst musste Wild mit Gebäuden des Alten Tiergartens auskommen, der im Zuge der Planung für das Reichsparteitagsgelände an den Schmausenbuck verlegt worden war. In die seit Kriegsbeginn im Rohbau verbliebene Kongresshalle konnte er erst einziehen, als die amerikanische Besatzungsmacht das nach Kriegsende als Lebensmitteldepot verwendete Gebäude freigegeben hatte.

Im Dezember 1947 war es schließlich soweit: Wild konnte mit seiner Firma "FRAWI Schwingbetonwerk GmbH" an der Bayernstraße 100 starten. Er schuf einen Zugang von außen in den Rundbau, der als Durchgang zu den Büros genutzt werden konnte. An die schloss sich im Innenhof eine kleine Produktschau für Baustoffe, Treppen- und Treppengeländer an.

Eine Baustoff-Fabrik in der Kongresshalle – graue Energie und das "fränkische Lego"

Die Produktion selbst fand für die kommenden acht Jahre ausreichend Platz im riesigen Halbrund, das die Baufirma komplett mit Beschlag belegte. Auf Freiflächen und in den neu errichteten frostsicheren Hallen mischten und pressten FRAWI-Mitarbeiter mit Hilfe von Maschinen aus Trümmerschutt, Beton und Wasser aus dem Dutzendteich vor allem Spannträger und Hohlblocksteine. Diese sogenannten Rahmenbauelemente – eine Art "fränkisches Lego", wie Claus Merk das Prinzip nennt (siehe auch den Video-Link am Ende des Beitrags) – konnten dann auf der Baustelle mit Beton ausgegossen und zügig verbaut werden.

Außerdem wurden weitere Systembauteile wie Deckensteine und Treppenelemente produziert, für die die firmeneigene Schlosserei Geländer entwarf. Wilds Fertigbauteile für Treppen funktionierten ebenfalls modular wie die Steine und konnten je nach benötigter Breite aneinandergesetzt werden.

Aus heutiger Sicht würden wir das zweckmäßige Bauschutt-Recyling der FRAWI als nachhaltige Verwendung wertvoller grauer Energie begrüßen, die Fertigbauelemente aus der ersten Firmenphase seien aber – so Claus Merk – von eher minderwertiger Qualität gewesen. Doch in den zerstörten Städten ging Quantität vor Qualität. Absolute Priorität hatte die Schaffung von Wohnraum. Industriell und normiert gefertigte Haustypen waren deshalb auch Themen der Deutschen Bauausstellung, die 1949 in der Kongresshalle und in ihrem Umfeld stattfand. Besucher konnten die Umsetzung dieser Maxime am Praxisbeispiel der FRAWI im Innenhof direkt mitverfolgen.

 

 

Von der Fabrik zum Stadion?

Stadtintern war die FRAWI nicht nur im Wohnungsbau, sondern auch an Leuchtturm-Projekten wie dem Plärrer-Hochhaus (1951-1953) und dem Schauspielhaus (1957-1959) beteiligt. Doch schon vor dem Ende des Wiederaufbaubooms im Wohnungsbausektor wurde die Produktpalette angepasst: Künftig war bei Großkunden die "schalungsfreie Stahlbetonrippendecke, System Franz Wild" erfolgreich. Bei der wachsenden Zahl der Autobesitzer der jungen Bundesrepublik waren dagegen die FRAWI-Beton-Fertiggaragen begehrt. "Beton war für die das Größte", so Merk über die Großeltern seiner Frau.

Mitte der 1950er Jahre zog die FAWI von der Kongresshalle um auf ein Gelände an der Hermann-Kolb-Straße in Altenfurt. Daraufhin ließ die Stadt eine Broschüre mit Beschreibungen und Fotos der Kongresshalle anfertigen und die Diskussion um eine neue Nutzung als Fußballstadion begann. Auf dem Luftbild des Hochbauamts aus dieser Zeit sind die Fertigungsstätten der FRAWI noch zu erkennen – allerdings nur, wenn man um die Nutzung als Baustoff-Fabrikationsstätte weiß.

Die Verdienste des ehemaligen Kongresshallen-Mieters Wild wurden am 20. März 1970 mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes gewürdigt. Um diese Zeit beschäftigte die Firma FRAWI etwa 300 Mitarbeiter, bevor Mitte der 1970er Jahre die Krise in der Baubranche eine Umstrukturierung des Unternehmens und eine inhaltliche Neuausrichtung erzwang.

Claus Merk versteht sich als Chronist der Firmen- und Familienhistorie. Sie ist ein stückweit auch Teil der Geschichte der Kongresshalle und der Stadt Nürnberg während des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Deshalb verbleibt das analoge Album in Familienbesitz und die Digitalisate bereichern seit kurzem die Sammlung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände.


Zum Weiterlesen:

Die Kongresshalle Nürnberg. Architektur und Geschichte, hrsg. für die Museen der Stadt Nürnberg von Hans-Christian Täubrich, Nürnberg 2014. (Schriftenreihe der Museen der Stadt Nürnberg, Bd. 5)

Zum Weiterschauen:

Das Dokumentationszentrum im Gespräch: Claus Merk und die Firma FRAWI
(.mp4-Datei 425 MB)

Claus Merk (li.) und Dr. Alexander Schmidt im anregenden Gespräch über das Album der Firma FRAWI und die Wiederaufbauzeit in Nürnberg.


Reihe "Ans Licht geholt – aus der Sammlung des Dokumentationszentrums"

Text und Recherche: Daniela Harbeck-Barthel/ Alexander Schmidt
24.05.2022
Danke an Maria Horn für Informationen zur FRAWI aus den Beständen des Stadtarchivs Nürnberg und an Claus Merk!
Textlizenz: CC BY SA 4.0
© Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände

Die Bilder dürfen nur nach Rücksprache mit dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände genutzt werden!
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