Ein Künstler auf der Baustelle der Kongresshalle
Vier Aquarelle des Nürnberger Malers Hermann Thomas Schmidt

Hermann Thomas Schmidt: Dampframmen, 1936. (DZO-0171-01)
Dampframmen bei Fundamentierungsarbeiten für die Kongresshalle, 1936. (Ph-0549-01)Hermann Thomas Schmidt: Baustelle am Dutzendteich, 1938. (DZO-0171-02)Bauzustand der Kongresshalle, 4.10.1938. (Ph-1181-49)Hermann Thomas Schmidt: Bau der Kongresshalle, 1938. (DZO-0171-03)Pfeilermodell im Innenhof der Kongresshalle, 1938. (Ph-0346-00)Hermann Thomas Schmidt: Kongressbau, 1938. (DZO-0171-04)Blick vom Mittelbau der Kongresshalle Richtung Zeppelintribüne und Dutzendteich, 1938. (Ph-0075-01)Hermann Thomas Schmidt: Selbstbildnis, 1952. (Bildnachweis: Theo Noll)Hermann Thomas Schmidt: Straße in der Dämmerung (Bayreuther Straße), um 1970. (Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen)
Künstler:

Hermann Thomas Schmidt

Titel:

"Dampframmen" (Beschriftung auf dem Passepartout)

Datierung:

Nürnberg 1936 (Datierung 1938 auf der Rückseite wohl falsch)

Beschreibung:

Aquarellierte Zeichnung auf Papier, hinter Glas, originale zeitgenössische Rahmung

Maße:

74 cm breit, 64,5 cm hoch (mit Rahmen)

Sammlungsnummer:

DZO-0171-01

Seit Ende 2020 befinden sich vier Gemälde der Baustelle Kongresshalle in der Sammlung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände. Sie stammen von dem Nürnberger Maler Hermann Thomas Schmidt (1902-1989) und hingen Jahre im Büro des Verwalters der Kongresshalle Jürgen Gstader als dessen Privatbesitz. Sie stammen aus dem Antiquitätenhandel und wurden Jürgen Gstader für sein Büro geschenkt. Kurz vor Beginn des wohlverdienten Ruhestands übergab Herr Gstader die Bilder dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Wir danken für diesen schönen Zuwachs der Sammlung!

 

Die Bilderserie zur Baustelle Kongresshalle

Das erste Bild ("Dampframmen") zeigt die aufwändige Schaffung eines festen Untergrunds für die Kongresshalle, welche an das Ufer des Dutzendteichs und teilweise auch in den Dutzendteich selbst hinein gebaut wurde. Der feuchte und kaum tragfähige Untergrund war für ein derart großes Gebäude denkbar schlecht geeignet. So musste man im Jahr 1936 große Dampframmen einsetzen, die Splitt und Schotter pfahlförmig in den Boden trieben und dadurch einen festen Untergrund für das meterdicke Betonfundament der Kongresshalle schufen. Auch die Spundwände aus Stahl als Abgrenzung zum Wasser des Dutzendteichs, die man heute noch am westlichen Teichufer in der Nähe des Dokumentationszentrums sehen kann, wurden mit ähnlichen Dampframmen in den Boden getrieben. Die großen Maschinen wurden auf eigens verlegten Gleisanlagen über die Baustelle bewegt. In dieser Zeit verursachten die Bauarbeiten einen ohrenbetäubenden Lärm.

Nicht ganz klar ist die Datierung des Gemäldes von Hermann Thomas Schmidt: Es zeigt das Baugeschehen von 1936 und ist wohl in diesem Jahr entstanden. Auf der Rückseite ist es allerdings handschriftlich auf das Jahr 1938 datiert. Unter Umständen hat der Künstler das Bild auch nach einer Vorzeichnung gemeinsam mit den anderen drei Bildern der Serie erst nachträglich 1938 gemalt.
Das zweite Bild ("Baustelle am Dutzendteich") zeigt den Innenhof der Kongresshalle mit Blick vom Rundbau aus auf die beiden sogenannten Kopfbauten. Links ist der Kopfbau zu sehen, der heute das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände beherbergt, rechts der Kopfbau der Nürnberger Symphoniker mit dem Serenadenhof. Die menschenleere Szenerie – nicht ein Bauarbeiter ist zu sehen – lässt sich etwa auf den Oktober 1938 datieren, wie ein Vergleichsfoto aus der Sammlung des Dokumentationszentrums zeigt.

Unter dem Titel "Bau der Kongresshalle" ist auf dem dritten Bild das Modell eines Pfeilersegments aus Holz im Maßstab 1:1 im Innenraum der Kongresshalle zu sehen. Solche großen und aufwändigen Baumodelle in Originalgröße entstanden zu jedem Bauprojekt auf dem Reichsparteitagsgelände. Sie waren einerseits Teil der Außendarstellung dieses Prestigeprojekts und damit auch Teil der nationalsozialistischen Propaganda. Andererseits dienten die Modelle auch dazu, bestimmte gestalterische Lösungen auf ihre Wirkung hin zu testen. Gut zu erkennen sind die verschiedenen Farben der Pfeiler und die unterschiedlichen Übergänge von der Pfeilerreihe zur Dachkonstruktion. Das Modell stand nur vom Oktober 1938 bis Oktober 1939. Dann wurde es wegen des Baufortschritts wieder beseitigt. Von den Pfeilern ist allerdings kein einziger mehr vor dem Baustopp 1939 errichtet worden, auch wenn schon Steinblöcke dafür hergestellt worden waren. Zwei von ihnen können als Anschauungsobjekt im Innenhof der Kongresshalle bei den dortigen Informationstafeln von Besuchern und Besucherinnen besichtigt werden.

Das letzte Gemälde der Serie hat den Titel "Kongressbau" und zeigt den Blick vom Dach der Kongresshalle in Richtung Zeppelintribüne und Dutzendteich. Das Pfeilermodell befindet sich im Rücken des Malers. Zu erkennen ist rechts der vollendete Bau der Zeppelintribüne mit der großen goldenen Hakenkreuzskulptur, am Horizont links der Schmaußenbuck mit Aussichtsturm und leicht verdeckt durch ein Holzgerüst in der Bildmitte der Moritzberg. Einige Arbeiter sind mit dem Bau des obersten Stockwerks der Kongresshalle beschäftigt.

Die Baustelle Reichsparteitagsgelände als Motiv für Künstler

Hermann Thomas Schmidt war keineswegs der einzige Künstler, der auf den Baustellen des Reichsparteitagsgeländes gemalt hat. In offiziellem Auftrag war zum Beispiel der Maler Ernst Vollbehr dort unterwegs und hat eine Fülle von Ansichten der einzelnen Baustellen produziert. Auch einer der Lehrer von Hermann Thomas Schmidt, der Grafiker Max Körner, hat auf dem Reichsparteitagsgelände gearbeitet. Der Bedarf für derartige Bilder war offensichtlich groß: Sie hingen, wie auch manche Fotografie der Baustelle, in den Baubüros der Architekten und Bauingenieure und wurden auch in Kunstausstellungen gezeigt. So finden sich in den Großen Deutschen Kunstausstellungen, die ab 1937 jährlich im Haus der Kunst in München stattfanden, immer wieder Gemälde und Zeichnungen des Reichsparteitagsgeländes von heute kaum noch bekannten Künstlern wie Erich Mercker, Max Herterich, Curt Winkler, Otto Albert Hirt oder Blasius Streng. Dass das Baugeschehen – nicht nur in Nürnberg – vielfach von Künstlern festgehalten wurde, zeugt von der ideologisch geprägten Sichtweise auf Arbeit in der Zeit des Nationalsozialismus und der Überzeugung, dass man an einem großen Werk des Aufbaus in Deutschland gemeinsam arbeitete. Dies war dann auch die Präsentation mit künstlerischen Mitteln durch ein Ölgemälde oder ein Aquarell wert.

 

 

Hermann Thomas Schmidt – ein traditioneller Nürnberger Maler

Als Künstler war der 1902 in Nürnberg geborene Hermann Thomas Schmidt kein Avantgardist, sondern er kam aus einer ganz traditionellen Nürnberger Künstlerszene: Zunächst 1916 bis 1920 an den Städtischen Lehrwerkstätten mit offenem Zeichensaal ausgebildet, studierte er von 1920 bis 1924 an der Nürnberger Kunstgewerbeschule (heute Kunstakademie) bei dem Altmeister fränkischer Malerei Rudolf Schiestl, bei Grafiker Max Körner und auch bei dem für zeitgenössische Tendenzen durchaus offenen Maler Hans Werthner. Hermann Thomas Schmidt hat nach Kriegsdienst und Gefangenschaft (1942-1946) in Nürnberg weiter gemalt, war im Hauptberuf jedoch ein Leben lang als Grafiker und Schaufenstergestalter beim Lebkuchenhersteller Häberlein-Metzger tätig. Interessant sind vor allem seine Bilder aus den Wiederaufbaujahren der Nachkriegszeit, die eine moderne Stadt im Umbruch zeigen: "Bilder von nebenan, Bilder vom Alltag mit Baustellen, Straßenbahnen, Kreuzungen, Bilder mit Motiven aus Stadtteilen, die man kennt, und doch nicht gleich weiß, woher" – wie die Nürnberger Nachrichten am 10. Mai 1984 schrieben. Auch selten aufgegriffene und heute nicht mehr existierende Örtlichkeiten wie die Passage des Modehauses Fischer am Jakobsplatz oder die Atlantik-Passage in der Königsstraße wurden zu Motiven seiner Bilder, die den Zeitgeist der 1950er und 60er Jahre spiegeln.

Hermann Thomas Schmidts Gemälde vom Reichsparteitagsgelände wurden in der Nachkriegszeit nicht mehr erwähnt – auch dies hat Schmidt mit anderen Malern, Künstlern und Architekten, die dort gearbeitet hatten, gemeinsam. Nur Besucher des Büros von Jürgen Gstader bekamen sie zu sehen.


Weiterlesen, weiterforschen:

www.gdk-research.de
(Internetseite mit Recherchemöglichkeit zu den Großen Deutschen Kunstausstellungen in München 1937 bis 1944)

www.nuernberg.museum/artist/show/71-schmidt-hermann-thomas
(Internetseite des Virtuellen Museums Nürnberger Kunst mit verschiedenen Werken von Hermann Thomas Schmidt)

Materialiensammlung zu Hermann Thomas Schmidt, Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen

Alexander Schmidt: "Ein schwarzes Schaf?" Der Grafiker Max Körner und seine Rolle im Nationalsozialismus, in: Akademie der bildenden Künste in Nürnberg (Hg.): Geartete Kunst. Die Nürnberger Akademie im Nationalsozialismus, Nürnberg 2012, S. 116-136 (S. 126 Abbildung eines Aquarells der Baustelle Zeppelintribüne)

B.N.: Bilder aus dem anderen Nürnberg. Hermann Thomas Schmidt stellt im Fembohaus aus, in: Nürnberger Nachrichten 10. Mai 1984

Hans-Christian Täubrich (Hg.): Die Kongresshalle Nürnberg. Architektur und Geschichte, Petersberg 2014 (S. 76-85 Zeichnungen der Baustelle Kongresshalle von Curt Winkler)

Bernd Zachow: Bilder überall. Der Maler Hermann Thomas Schmidt in Wöhrd, in: Nürnberger Anzeiger 18. März 1982

Museen der Stadt Nürnberg/ Stadtmuseum im Fembo-Haus/ Rudolf Käs (Hg.): Nürnberg baut auf! Prechtl, Koller, Heyduck und andere, Nürnberg 2009, S. 116-127 (S. 123 und 125 Abbildungen der Fischer- und der Atlantik-Passage)

Reihe "Ans Licht geholt – aus der Sammlung des Dokumentationszentrums"

Recherche: Andreas Curtius/Alexander Schmidt
Objektfotos: Martin Ammon
Text: Alexander Schmidt
02.02.2021
Textlizenz: CC BY SA 4.0
© Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände

Die Bilder dürfen nur nach Rücksprache mit dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände genutzt werden!
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