- Künstler:
Donato Polli
- Datierung:
1734
- Material:
Stuckgips
Zur Vorgeschichte der Stuckarbeiten
Das von 1591 bis 1596 im Stil der niederländischen Renaissance errichtete Kaufmannshaus diente von Anfang an nicht nur praktischen Wohnbedürfnissen. Es hatte auch repräsentative Funktionen zu erfüllen, die bis heute an der Architektur ablesbar sind. Die prächtige Fassade und der einzig erhaltene Familiensaal aus der Bauzeit des Hauses zeugen davon, aber auch viele spätere Umbauten. Diese ließen die wechselnden Eigentümer nach dem jeweiligen Zeitgeschmack vornehmen. Beispielhaft sind hier die Stuckaturen des Tessiners Donato Polli (1663-1738), die im 18. Jahrhundert das 1. Obergeschoss des heute sogenannten Fembo-Hauses für eine neue Nutzung vorbereiteten.
Das Gebäude, seit 1734 Sitz der bedeutenden Homännischen Landkartenoffizin, war 1730 in den Besitz von Joh. Georg Ebersberger und Joh. Michael Franz gekommen. Die beiden Homann-Erben teilten das Gebäude horizontal unter sich auf: Familie Franz bezog das 2. Obergeschoss, die in Nürnberger Bürgerhäusern repräsentative Wohnetage. Familie Ebersberger zog ins 1. Obergeschoss, das vor allem Werkstatträumen und dem Handel vorbehalten war. Auch dieses Stockwerk musste nun als Wohnetage ausgebaut werden. 1734 erteilte Ebersberger deshalb dem in Nürnberg und Franken renommierten, schon über 70-jährigen Stuckator Donato Polli den Auftrag, das Treppenhaus zum 1. Stockwerk, das Foyer und zwei weitere Räume in seiner Etage standesgemäß auszugestalten.
Donato Pollis Stuckaturen im Fembo-Haus
Den neuen, repräsentativeren Treppenaufgang vom Erdgeschoss in die 1. Etage, den Ebersberger einbauen ließ, stattete Polli mit feinsten Stuckierungen aus. Besondere Ausschmückung erfuhr die noch vom Eingangsbereich her sichtbare Nische auf dem ersten Treppenabsatz. Die spielerisch wirkende Ornamentik setzt sich im Foyer des 1. Obergeschosses fort. Besondere Aufmerksamkeit ziehen hier die Verzierungen zweier Kamine in der Südwest- und Südostecke des Raumes auf sich: zwei im Flachrelief gearbeitete Darstellungen des Feuervogels Phoenix, links sich in den Flammen verjüngend, rechts aus den Flammen emporsteigend. Die Ornamente der Decke weisen hier vor allem Vierpässe, Kreise und Bänder auf.
Das sich daran anschließende sogenannte Régence-Zimmer oder die Chorstube – das heutige Musikzimmer – ist der von Polli am prächtigsten ausgestattete Raum im Fembo-Haus. Schon zur Zeit der Fertigstellung fand er höchste Anerkennung und galt als Nürnbergs schönster Rokokoraum.
Pollis graziöse Stukkaturen im Fembo-Haus, vom hauchzarten Flach- bis zum fast vollplastischen Hochrelief, besitzen höchste künstlerische und handwerkliche Qualität. Elegant verbindet er Bandelwerk-Ornamentik mit Blatt- und Rankenwerk sowie figürlichen Motiven der antiken Mythologie: an der Decke ein großer ovaler Schild, an den sich Bänder, Voluten und im Flachrelief gearbeitete Frauenköpfe, an den Wänden Darstellungen verschiedener exotischer Vögel und Blumenkörben auf Sockeln anschließen. Die zwei Türen des Raumes werden durch vollplastische Büsten von Hermes/ Merkur, Gott des Handels, und Athene/ Minerva, Göttin der Weisheit, bekrönt.
Donato Pollis Herkunft und Leben
Donato Polli wurde am 24. Oktober 1663 in Muzzano, westlich von Lugano, geboren. Er absolvierte eine mehrjährige Ausbildung zum Stukkator, die ihn nach Italien und Frankreich führte. Wie die meisten Stukkatoren aus dem Tessin, ging er auf Wanderschaft in die Länder nördlich der Alpen. Zwischen März und April 1690 traf der 26-jährige Polli in Nürnberg ein und stellte am 31. Oktober 1691 einen Antrag auf Gewährung des Stadtschutzes, der ihn u.a. vor Gefährdung seiner Stellung durch den Zuzug von Konkurrenten bewahren sollte. Das Bürgerrecht im protestantischen Nürnberg konnte der Handwerker aus dem katholischen Italien freilich nicht erlangen.
Polli beantragte den Stadtschutz zunächst auf ein halbes Jahr, doch dem Rat der Stadt schien an einem längerfristigen Aufenthalt des Stukkators gelegen zu sein; denn da "niemand von den hiesigen Handwerksleuten mit der Stuckarbeit umgehen kann und man doch dergleichen Leute inskünftige allhie von Nöten haben möchte", solle der Baumeister den Neuankömmling Polli bitten, "ein hiesiges Bürgerskind" als Lehrjungen anzunehmen. Erst 1692 hat Polli wohl entschieden, endgültig in Nürnberg zu bleiben. Zwei Jahre später heiratete er in Neuhaus bei Erlangen die Nürnbergerin Magdalena Neumeister (1662–1752). Ihre vier gemeinsamen Kinder verstarben früh.
Donato Polli war 75 Jahre alt, als er am 28. Dezember 1738 in Nürnberg starb. Als Katholik konnte er nicht im reformatorischen Nürnberg beerdigt werden. Daher wurde er ins Hochstift Bamberg nach Büchenbach bei Erlangen überführt und in der dortigen, von ihm dreizehn Jahre vorher stuckierten Pfarrkirche St. Xystus am 2. Januar 1739 beigesetzt. Pollis Witwe heiratete noch im gleichen Jahr den Stukkator Francesco Antonio Agostini und sicherte so den Fortbestand der Werkstatt.
Ein vielbeschäftigter Künstler
Pollis Stil ist von Klarheit und Präzision geprägt, die einzelnen Elemente fügen sich zu einem harmonischen Ganzen. Seine qualitativ herausragenden Stukkaturen, die vor allem in Profanbauten, hauptsächlich bürgerlichen Wohnhäusern, entstanden, ließen seinen guten Ruf über Nürnberg hinausgehen. Zahlreiche Patrizierfamilien wie die Paumgartners, die Kress von Kressenstein oder die Welser gehörten zu seinen Auftraggebern. Gabriel de Gabrieli, renommierter Hofbaumeister in Ansbach, engagierte Polli 1713 für Stuckarbeiten im Schloss Schwaningen. Weitere Aufträge führten ihn in das Nürnberger Landgebiet, z.B. nach Artelshofen und Behringersdorf, aber auch nach Eichstätt, Büchenbach und Kornburg. Als sein Hauptwerk gilt der 1716 bis 1718 ausführte Stuck in der Egidienkirche in Nürnberg, der in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde.
Text: Brigitte Korn und Andreas Thum