Kopiert, ersetzt, zerstört.
Der Kurfürst von Böhmen, Skulptur vom Schönen Brunnen

Jakob Daniel Burgschmiet: Kurfürst von Böhmen, 1822–1824.
Kurfürst von Böhmen vom Schönen Brunnen, 14. Jahrhundert, Germanisches Nationalmuseum, Leihgabe der Stadt Nürnberg.Stich von Albert Christoph Reindel, 1828, bez.: "Kaiser Karl der Vierte Churfürst von Böhmen. In Stein gearbeitet von Schonhofer im Jahre 1361".Albert Christoph Reindel: Der Schöne Brunnen, Aquarell auf Papier, 1818.
Künstler:

Jakob Daniel Burgschmiet

Datierung:

1822–1824

Technik:

Steinskulptur, Schilfsandstein

Maße:

98 x 46 x 29 cm

Besitzer:

Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen

Standort:

Stadtmuseum im Fembo-Haus, Abt. Krone – Macht – Geschichte

Der Schöne Brunnen auf dem Hauptmarkt ist eines der bekannten Wahrzeichen Nürnbergs, auf unzähligen Darstellungen vom kostbaren Ölgemälde bis zur Lebkuchendose wiedergegeben. Der aus dem 14. Jahrhundert, dem Jahrhundert Karls IV., stammende Brunnen – eines der frühesten derartigen Brunnendenkmäler in Deutschland – wurde schon in den folgenden Jahrhunderten immer wieder repariert und mit neuen Anstrichen versehen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, nach dem die Freie Reichsstadt aufgelöst und Nürnberg an das Königreich Bayern gekommen war, stellte man fest, wie baufällig und einsturzgefährdet der Brunnen war.

Die Renovierung des Schönen Brunnens 1821–1824

Die Initiative zur Restaurierung ging wohl von dem jungen Graphiker und Kunstprofessor Albert Christoph Reindel (1784–1853) aus, der 1811 zum Leiter der Nürnberger Kunstakademie ernannt worden war. Schon 1818 gab Reindel den Brunnen in einem großformatigen Aquarell wieder, um damit für sein Projekt zu werben. Jedenfalls ersuchte der soeben neu eingerichtete Nürnberger Magistrat den kunstsinnigen bayerischen Kronprinzen Ludwig, der ein besonderes Interesse an Nürnberg besaß, um Wiederherstellung. 1821 erklärte sich der bayerische König Max Joseph bereit, die Kosten zu tragen. Nach mehreren Begutachtungen wurde Reindel mit der Leitung der Restaurierungsmaßnahmen beauftragt. Es zeigte sich bald, dass es nötig war, den Brunnen komplett abzutragen und wiederaufzuführen. Etliche der Originalfiguren waren bereits weitgehend oder völlig verwittert, es mussten neue Figuren geschaffen werden. Die abgenommenen Originalfiguren wurden im Germanischen Nationalmuseum deponiert.

Da man bis dato wenig Erfahrung mit Restaurierungen im gotischen Stil hatte, beauftragte man den Münchner Bildhauer Ernst Bandel mit Entwürfen für die Figuren, von denen er mehrere auch ausführte. Man sieht ihrem Stil das noch klassizistisch geprägte Gotikverständnis der Frühromantik an. Als Glücksgriff erwies sich die Heranziehung des jungen Bildhauers Jakob Daniel Burgschmiet, der mehrere Figuren nach Bandels Entwurf ausführte und vier große Figuren nach seinen eigenen, darunter auch den Kurfürsten von Böhmen. Wenn auch die Ergebnisse heutiger kritischer Sicht nicht ganz standhalten, muss man diese Restaurierung als eine der frühesten und wichtigsten Pioniertaten der Denkmalpflege würdigen. Später sollte Burgschmiet übrigens als Gießer des Dürer-Denkmales zu noch größerem Ruhm gelangen.

Ersetzung der romantischen Skulpturen 1898–1903 und Zerstörung 1945

In der Zeit um 1900 wurde der Brunnen abermals umfassend restauriert und komplett neu aufgebaut, wobei man sich diesmal genauer am mittelalterlichen Bestand orientierte. Die Leitung hatte Stadtbaurat Heinrich Wallraff inne. Die Figuren Bandels und Burgschmiets wurden durch neue ersetzt und im Hof des Katharinenklosters eingelagert. Dort fielen sie im Zweiten Weltkrieg dem Bombenkrieg zum Opfer. Reste von 7 großen Figuren wurden 1970 geborgen und den Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg einverleibt, darunter die vorliegende. Die um 1900 neu geschaffenen Figuren trafen besser den gotischen Stil des 14. Jahrhunderts und befinden sich noch heute am Brunnen. Sie wurden in den letzten Jahren erneut restauriert.

Die Zuschreibung, das Programm des Brunnens und die Bestimmung der Figur

Burgschmiet hatte an der abgenommenen gotischen Originalfigur Schriftzeichen festgestellt, die jedoch stark verwittert und nicht mehr richtig lesbar waren. Er las sie als die Jahreszahl 1361 und als Künstlersignatur "Schonhofer", und in diesem Sinne rekonstruierte er die Inschriften in seiner Kopie. Ein Künstler des 14. Jahrhunderts namens Schonhofer ist quellenmäßig heute jedoch nicht mehr festsellbar. Diese auf schwachen Füßen stehende Zuschreibung hinderte jedoch das 19. Jahrhundert nicht daran, einem "Sebald Schonhofer" nicht nur alle Skulpturen des Brunnens zuzuschreiben, sondern auch noch die stilistisch verwandte Vorhallenskulptur der Frauenkirche. Die Texte der Zeit und etliche Graphiken nehmen den Künstler Schonhofer als gegeben hin; nach ihm ist sogar eine Straße in der Nürnberger Nordstadt benannt.

Ebenso zweifelhaft ist die Bestimmung der Figur als Kaiser Karl IV., als der sie auf denselben Graphiken bezeichnet wird. Auch hier stand wohl der romantische Personenkult Pate. Die Datierung des gotischen Brunnens ist in der Forschung umstritten, einer chronikalischen Erwähnung ab 1362 stehen erhaltene Baurechnungen der Zeit um 1385–1396 gegenüber. Der Brunnen wurde im 14. Jahrhundert im Auftrag der Reichsstadt Nürnberg geschaffen und stellt deren Selbstverständins vor Augen: Einordnung in die göttliche und weltliche Ordnung. Die obere Folge von Propheten steht für die religiöse Ordnung. Im unteren Rang stehen die Neun guten Helden (3 heidnische, 3 jüdische und 3 christliche) als Beispiele für tugendhaftes Handeln und daneben die sieben Kurfürsten, wie sie in der Goldenen Bulle von 1356 festgelegt worden waren. Hier ist demnach die Funktion gemeint, nicht eine individuelle Persönlichkeit. Also das Amt des Kurfürsten von Böhmen, nicht Kaiser Karl IV.

Text: Dr. Andreas Curtius
alle Fotos: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen