Das Gussmodell für den Gänsemännchenbrunnen

Hans Peisser: Gänsemännchen (Gussmodell). Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen; Foto: Krauss
Brunnen am Gänsemarkt. Holzstich von Friedrich Geissler nach Johann Falkner. Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, KunstsammlungenMonogammist E.T. (Zeichnung), J. Gauchard (Holzstich): Gänsemännchenbrunnen am Obstmarkt. Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, KunstsammlungenFerdinand Schmidt: Obstmarkt, ca. 1875, historische Photographie. Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, KunstsammlungenPuttenbrunnen im Rathaushof Nürnberg. Entwurf Hans Peisser zugeschrieben, Guss von Pankraz Labenwolf, um 1557. Bildnachweis: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen; Foto: Andreas Curtius
Künstler:

Hans Peisser

Datierung:

um 1550

Material:

Holz, Reste farbiger Fassung

Besitzer:

Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen

Das Gussmodell und der Bildschnitzer

Die aus Lindenholz geschnitzte Figur ist eines der wenigen erhaltenen Holzmodelle für den Bronzeguss aus der Zeit der Renaissance. Sie befand sich bis 1832 im Kunstkabinett Anton Paul Heinleins, einer bedeutenden Nürnberger Privatsammlung. 1870 wurde sie durch die Stadt Nürnberg erworben.

Die etwa um 1550 entstandene Skulptur wird dem Bildschnitzer Hans Peisser zugeschrieben. Hans Peisser (geb. um 1506, gest. nach 1571) kam aus Hassfurt und hat 1526 das Nürnberger Bürgerrecht erworben. Wahrscheinlich war er hier ein Schüler von Veit Stoß. In späterer Zeit schuf Peisser auch Brunnen für Linz, Prag und Friesach in Kärnten. Das Gussmodell für die Brunnenfigur des Gänsemännchens zeigt in exemplarischer Weise die Zusammenarbeit zwischen Künstler und Handwerker, zwischen Entwerfer und Gießer. Der Guss der Brunnenfigur nach diesem Modell wurde von dem bedeutenden Nürnberger Bronzegießer Pankraz Labenwolf (1492-1563) gefertigt.

Ein neuer Brunnen für den Gänsemarkt

Die Figur war bestimmt für den bekannten, im Volksmund "Gänsemännchenbrunnen" genannten Brunnen. Dieser öffentliche Brunnen, einer der ältesten der Stadt, fand seine Aufstellung auf dem ehemaligen Gänsemarkt, dem südlichen Teil des Obstmarktes, hinter der Frauenkirche, und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Rathausplatz versetzt.

Die Errichtung öffentlicher Brunnen für die Wasserversorgung der Stadt und deren Ausschmückung durch Figuren hat seit dem Schönen Brunnen (14. Jh.) in Nürnberg Tradition. Dies ist auch ein Beispiel dafür, dass die Obrigkeit (hier also der Rat) ihre Aufgabe der Sorge für das Allgemeinwohl wahrnimmt. Ungewöhnlich ist, dass hier – im Gegensatz zum Schönen Brunnen mit seinen Kaisern, Königen und Propheten – ein einfacher Bauer bei alltäglicher Arbeit und in der modischen Kleidung der Zeit dargestellt wird. Dies trug sicher zur Popularität der Brunnenfigur bei. Mit ihrem genrehaften Charakter steht die Figur in der Tradition des Brunnenhansel aus dem Hof des Heilig-Geist-Spitals (14. Jh.).

Ein wiederverwendbares Gussmodell

Der Bronzeguss hat eine lange Geschichte, die in ihren Wurzeln bis in die Jungsteinzeit zurückreicht. Im 4. vorchristlichen Jahrtausend haben Menschen begonnen, Kupfer zu schmelzen und zu gießen und Legierungen verschiedener Metalle herzustellen. Eine erste Blüte erreichte der künstlerische Bronzeguss in der klassischen Antike. Auch im Mittelalter war die Technik nicht vergessen, wovon Bronzekruzifixe, liturgische Gießgefäße und bronzene Türklopfer Zeugnis ablegen

Die Stadt Nürnberg genoss zwischen 1450 und 1600 einen weltweiten Ruhm als Zentrum des Bronzegusses. 1477 bereits schrieb der Spruchdichter Hans Rosenplüt über die Nürnberger Erzgießer, "daß dergleichen in aller Welt nit lebt". Zu Beginn des 16. Jahrhunderts erreichte der Bronzeguss mit dem Sebaldusgrab von Peter Vischer in der Sebalduskirche einen Höhepunkt.

Seit dem 16. Jahrhundert verfuhr man so, dass die Form erhalten blieb und für weitere Güsse verwendet werden konnte. In früherer Zeit arbeitete man nur mit Wachsmodellen, die beim Guss verloren gingen. Durch die Einführung von Holzmodellen erreichte man die mechanische Wiederholbarkeit des Wachsmodells und der Gussform, somit die Möglichkeit, eine Bronzefigur in mehreren identischen Güssen, also seriell zu reproduzieren.

In Nürnberg ist diese Praxis erstmals in der Werkstatt Peter Vischers, Labenwolfs Lehrer, nachgewiesen. Der berühmte italienische Künstler und Kunsttheoretiker Benvenuto Cellini beschreibt dieses Vorgehen in seinen 1568 in Florenz erschienenen Traktaten zur Goldschmiedekunst und Skulptur.

Das Gänsemännchen ist eines der ältesten erhaltenen hölzernen Gussmodelle. Eine moderne Replik des Gänsemännchenbrunnens steht in Nürnberg in der Wilhelm-Spaeth-Straße, daneben gibt es zahlreiche weitere Brunnenrepliken von Weimar über Meiningen, Hohenschwangau und Thun bis Luzern.

Das Gänsemännchen ist wohl die am meisten nachgegossene Brunnenfigur überhaupt!

Text: Dr. Andreas Curtius