Der Schwedische Löwe von 1649 (Detail).

Schwedischer Löwe von 1649

Künstler: Anonym (Nürnberg?)
Datierung: 1649
Technik: Holzskulptur, farbig gefasst
Eigentümer: Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen

Essen für den Frieden – Nürnberg 1649

Was wäre das Barockzeitalter ohne seine verschwenderischen Feste! Vor allem die geistlichen und weltlichen Fürsten wetteiferten darin mit einer geradezu uferlosen Prachtentfaltung. Auch die Freie Reichsstadt Nürnberg hatte darin ein gewisse Übung – allerdings mit einem ganz anderen Hintergrund. Hier waren es nämlich vor allem die Reichs- und Hoftage der deutschen Kaiser und Könige mit ihren prächtigen Einzügen, die immer wieder Feststimmung in der Stadt verbreiteten – allerdings mit abnehmender Tendenz. Denn mit der entschiedenen Hinwendung Nürnbergs zum Protestantismus 1525 trat auch eine Entfremdung gegenüber dem katholischen Kaiserhaus der Habsburger ein. Die unausweichliche Folge war ein starkes Nachlassen der Kaisergastungen, die auch nicht ohne Auswirkungen auf das Nürnberger Wirtschaftsleben blieb. Aber 1649, unmittelbar nach dem Ende des verheerenden Dreißigjährigen Krieges, richteten sich doch noch einmal die Augen Europas auf Nürnberg: Hier nämlich wurde beim "Nürnberger Exekutionstag" endgültig unter Dach und Fach gebracht, was in den berühmten Friedensschlüssen von Münster und Osnabrück ausgehandelt worden war. Und um diesen epochalen Erfolg zu feiern, hatte der schwedische Generalissimus Karl Gustav von der Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg zu einem Prunk- und Schauessen in den großen Saal des Nürnberger Rathauses geladen.

Wein für alle!

Am 25. September 1649 war es dann soweit: Vertreter und Befehlshaber sämtlicher sieben Kriegsparteien versammelten sich zu einem fünfgängigen Menü. Nun saßen ehemalige Todfeinde einträchtig beisammen und tranken einander zu. Wie aber ließ sich nun eine Art "Teilhabe" für jene bewerkstelligen, auf deren Rücken der furchtbare Krieg in der Regel ausgetragen worden war – für das Volk also? Hier griff der Generalissimus auf einen Brauch zurück, der von den Krönungen der deutsch-römischen Könige in Frankfurt schon vertraut war: Während des Krönungsmahls gab es Volksbelustigungen, zu denen stets auch ein Weinbrunnen gehörte. Und da Karl Gustav nun einmal Sachwalter der schwedischen Machtinteressen war, ließ er einen solchen Weinbrunnen in Gestalt des schwedischen Wappentiers herstellen, eines schreitenden Löwen. Er wurde in eines der Rathausfenster zur Straße hin aufgestellt. Durch seinen Körper verlaufen zwei Rohrleitungen, die je mit einem Fass roten und weißen Weines verbunden waren und stundenlang das kostbare Nass verströmten – was mit fortschreitendem Konsum und bei dem allgemeinen Gedränge sicher nicht nur Frohsinn nach sich zog.

Politisches Souvenir

Anders als viele Dörfer und kleinere Städte in Franken ist Nürnberg vergleichsweise glimpflich durch den großen Krieg gekommen. Irgendwie gelang es dem Rat, zwischen dem katholischen Kurfürstentum Bayern als mächtigem Nachbarn, den kaiserlichen Interessen und den Kriegsparteien auf evangelischer Seite hindurch zu lavieren. Und als 1632 die Gefahr einer langen Belagerung durch die Kaiserlichen am größten war, brachten die gefürchteten Schweden unter dem Machtpolitiker Gustav II. Adolf Entsatz. Dem Schwedenkönig bereitete die Reichsstadt daraufhin einen triumphalen Empfang. So wurde Nürnberg bis 1945 niemals militärisch erobert. Aber sonst war die Bilanz dieses "ersten Weltkriegs" verheerend: das reiche Nürnberger war verwüstet und entvölkert, die Stadt selbst quoll über von Flüchtlingen und lebensnotwendige Handelsverbindungen waren gekappt. Als hätten die Nürnberger geahnt, dass die Zeiten der großen Reichsversammlungen und des allgemeinen Wohlstands vorüber waren, wurde der schwedische "Weinlöwe" – bei Festdekorationen eine absolute Seltenheit! – sorgsam aufbewahrt: wohl auch als Erinnerung an bessere Zeiten.

Text: Dr. Thomas Schauerte