Schaustück des Monats Juni 2015:
"An den heiligen Wasser der Pegnitz. Der Riesenholzschnitt 'Die Reformatoren vor Nürnberg'"
In der beliebten Veranstaltungsreihe "Schaustück des Monats" stellen Ihnen die Museen der Stadt Nürnberg während ca. 30-60 minütiger Spezialführungen besondere Exponate aus dem Besitz der Stadt Nürnberg vor.
Der Juni 2015 ist einem hochinteressanten Exponat aus den Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg gewidmet: Dem Riesenholzschnitt "Die Reformatoren vor Nürnberg".
Reformation – und dann?
Vom 14. bis ins 16. Jahrhundert kann Nürnberg als eine der großen europäischen Kunstmetropolen angesprochen werden. Hand in Hand damit ging die überragende Rolle, die die Reichsstadt im frühen Druck- und Verlagswesen einnahm, insbesondere auf dem Gebiet der Druckgraphik. Dann aber hatte das Kunstleben der Stadt in kurzer Folge zwei schwere Schläge hinnehmen müssen: 1528 stirbt – sehr früh und sehr plötzlich – mit Albrecht Dürer gewissermaßen der "Übervater" der deutschen Kunst. Und kurz zuvor hatte er noch selbst – und positiv – darüber abgestimmt, ob die Reichsstadt im Frühjahr 1525 die Reformation einführen sollte, also eine revolutionär neue Sichtweise auf die Bibel, die Sakramente, die Jenseitserwartungen und auf die Kunst.
Auch wenn Martin Luther die Dinge hier eher entspannt sah, hielt dies die große Wende kaum auf: Malerei, Skulptur und vor allem die Druckgraphik wurden mehr und mehr auf den Zweck reduziert, Gottes Wort und dem neuen Glauben zu dienen und seine Verbreitung zu fördern. Qualität als Selbstzweck wurde damit nachrangig, die Eindeutigkeit der Aussage stand im Vordergrund.
Und noch etwas änderte sich grundlegend: Die weltliche Obrigkeit – Könige, Fürsten aber eben auch Stadträte – wurden nun zu Oberhäuptern innerhalb der neuen, regionalisierten Kirchenhierarchie.
All dies nun bildet den historischen Hintergrund, vor dem der kolorierte Riesenholzschnitt von 1559 zu verstehen ist, der seit dem 24. April 2015 eines der Hauptexponate der Ausstellung "Deutschlands Auge & Ohr. Nürnberg als Medienzentrum der Reformationszeit" darstellt. Die Schau wird von den Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg bis zum 31. Oktober im Stadtmuseum Fembohaus gezeigt.
Glückliches Nürnberg
Schon in der Kunst des Mittelalters verlegte man das biblische Heilsgeschehen in die eigene Gegenwart: zum einen, weil das Empfinden für ferne Zeiten und ihre völlig andersartige Kleidung und Bewaffnung noch kaum entwickelt war; zum anderen, weil damit natürlich die Aktualität zentraler Bibelstellen für das tägliche Leben sinnfällig gemacht werden konnte.
Genau das aber kann auch noch im fortgeschrittenen 16. Jahrhundert geschehen, wie auf diesem riesigen Holzschnitt, der als extremes Querformat ein weites Panorama bietet: Wir schauen von Südosten her auf die Mauern, Türme und Dächer der Stadt Nürnberg, über ein weites Feld hinweg, das von der Pegnitz durchflossen wird. Hier findet, genau in der Mittelachse, eine der Schlüsselszenen des Neuen Testaments statt: die Taufe Christi durch Johannes den Täufer im Jordan. Das biblische Heilsgeschehen wurde also in das Jahr 1559 verlegt, und aus dem Jordan wurde die Pegnitz, aus Jerusalem Nürnberg. Und das ganze vollzieht sich wie eine Vision vor den Augen der wichtigsten politischen und militärischen Schirmherren der Reformation, denen rechts bedeutende Reformatoren gegenüberstehen, die von Johann Hus, Martin Luther und Philipp Melanchthon angeführt werden.
Über all dem öffnet sich der Himmel für Gottvater, in dessen Blickachse die Taube des Heiligen Geistes schwebt, so dass auch das Thema Dreifaltigkeit zur Darstellung kommt.
Kurz nach dem epochalen Augsburger Religionsfrieden von 1555 wird Nürnberg hier als Heimstatt des Protestantismus inszeniert: Umgürtet von seiner berühmten Stadtmauer, beschirmt von den mächtigen Herrschern Brandenburgs und Sachsens und unter der Observanz der wichtigsten Reformatoren ist die Reichsstadt für eine glänzende Zukunft im Zeichen des Protestantismus bestens gerüstet.
Dies ist aber längst nicht alles, was über dieses Kunstwerk zu sagen ist, denn schließlich wird etwa auch der merkwürdigen Tatsache nachzugehen sein, warum der Nürnberger Hauptreformator, Andreas Osiander, auf dem Holzschnitt nun gerade nicht vertreten ist. Und auch sonst gibt es noch allerhand zu erzählen, so dass auch viele andere Objekte der Ausstellung zum Sprechen gebracht werden können.