
Schaustück des Monats Dezember 2017:
Der Kindleinsmarkt auf dem Tisch.
Nürnberger Budenzauber im Kriegsjahr 1917
Spezialführung mit Dr. Urs Latus, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Spielzeugmuseums
2017 bekam das Spielzeugmuseum einen sehr ungewöhnlichen Miniatur-Weihnachtsmarkt geschenkt. Gut verpackt in einer großen Holzkiste, kam er an seinen ursprünglichen Entstehungsort Nürnberg zurück. Einem kleinen Beipackzettel ist folgender Text zu entnehmen:
"Die Buden müssen volle Ladentische haben, auch möglichst viel an den Nägeln aufhängen. Den Weihnachtsmarkt habe ich 1916/1917 während des Krieges als Examensarbeit für das Kindergärtnerinnenseminar handgemacht.
Nochmals aufgebaut Advent 1966 für Barbara, leider ohne die von meinem Mann dazu installierte Beleuchtung. Der Markt muß in Eßtischhöhe aufgebaut werden, um in die Buden sehen zu können.
Marianne Hoppe, Dez. 1966"
Marianne Hoppe, geb. Beyer (1899-1988) stammte aus einer bürgerlichen Nürnberger Familie. Als sie mit 17 Jahren die Arbeit am Weihnachtsmarkt begann, war ihr Vater, der Jurist, Nürnberger Stadtrat und spätere bayerische Landtagsabgeordnete Otto Beyer (1869-1929) als Major der Reserve im Ersten Weltkrieg.
Welches Kindergärtnerinnen-Seminar Marianne besuchte, ist nicht überliefert. Ihre Abschlussarbeit ist jedoch in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Die Arbeit belegt eine erstaunliche Handfertigkeit. Als Grundlage der zukünftigen Arbeitspraxis im Kindergarten gehörte der Handarbeitsunterricht zur klassischen Kindergärtnerinnen-Ausbildung. Insbesondere die sogenannten Fröbel-Arbeiten mit Papier, Stoff, Nadel und Faden stellten eine wesentliche Ausbildungseinheit dar. Das gestalterische Vermögen von Marianne Hoppe reicht weit über das geforderte Prüfungsmaß hinaus.
Der winzige Markt erzählt heute jedoch weitaus mehr. Mit seiner ungeheuren Fülle ist er ein Wunschbild in Zeiten größter Not. Das vermutliche Vorbild, Nürnbergs Christkindlesmarkt, befand sich 1916/1917 noch nicht auf dem Hauptmarkt, wie man diesen als "großen Kindleinsmarkt" heute kennt.
Eine Bildpostkarte (1902) aus dem Stadtarchiv Nürnberg belegt mit der Darstellung jener bekannten Verkaufsbuden eine unmittelbare Motiv-Verwandtschaft. Die mit allen erdenklichen Waren angefüllten Miniatur-Markstände entsprechen jedoch in keiner Weise den realen Zuständen der kriegsbedingten Hungerjahre.
Die junge Kindergärtnerin gestaltete sich hier in Nürnberg, an der sogenannten Heimatfront, eine kleine große Illusion vom Frieden, von kindlichen Weihnachtsfreuden und fränkischen Leckereien.
- Kosten
- Eintritt frei