Jedes Spiel legt einen langen Weg zurück vom Erfinder über den Verlag und den Handel bis hin zu den Spielern. In intensiven Diskussionen zwischen Autor und Verlagsredakteuren entsteht ein Spiel, das so nahe an der Grundidee wie möglich ist, zugleich aber auch so massentauglich wie nötig sein muss.
Diesem Entwicklungsprozess unterliegen alle Spielemerkmale von der inhaltlichen Idee über die Grafik des Spielplans bis hin zum Material der Figuren und die Ausstattung der Spieleschachtel. Manches Spiel verändert sich dabei so sehr, dass das Endprodukt kaum mehr dem Prototyp ähnelt, den der Erfinder ursprünglich dem Verlag vorgestellt hat.
Der Prototyp dient ursprünglich der Veranschaulichung der Spielidee und ist zugleich Experimentierfeld: Das Spielbrett muss ausgewogen sein, die Figuren in der richtigen Form und Anzahl, die Spielzüge müssen immer wieder überprüft werden.
Im Nachlass von Alexander Randolph befinden sich weit über 100 Prototypen, von denen es freilich nicht jede Idee bis zur finalen Veröffentlichung geschafft hat. Die meisten seiner Entwürfe stellen fertige Spiele mit ausgearbeitetem Regelwerk dar. Manche Kniffe und Mechanismen tauchen in mehreren Spielen auf, zu einigen Spielen finden sich wiederum mehrere Entwürfe und Prototypen, die den Verlauf des Denkprozesses in unterschiedlichen Stadien widerspiegeln.
Offenbar unfertige Prototypen und lose Arbeitsmaterialien, die einen nicht unbeachtlichen Teil des Nachlasses stellen, zeigen deutlich, dass Randolphs schier unerschöpfliche Kreativität bis zu seinem Lebensende angehalten hatte.
Bereits den Prototypen sieht man an, welchen großen Wert Randolph auf sorgfältige ästhetische Gestaltung legte. Schon in Japan arbeitete er mit Holzschneidern zusammen und entwickelte dort z.B. eckige Holzpuzzle wie Topolotoy. In Venedig wurden aus den eckigen dann runde Formen, da er hier eng mit einem Drechsler zusammen arbeitete. So konnte er seine Ideen mit schönen Spielfiguren und wertigen Holzbrettern umsetzen. Angelo Dalla Venezia verlieh damit Randolphs Schaffen und seinem Nachlass ein einzigartiges Gesicht.
Randolph war nicht immer zufrieden mit dem endgültigen Erscheinungsbild seiner Spiele. Es war ihm aber auch bewusst, dass sich allzu teure oder zu abstrakte Spiele nicht rentabel verkaufen lassen. Dennoch ermahnte er: "Ein Spieleverleger, der auf die Dauer wirklichen Erfolg haben will, muss seine Autoren und deren Produkte betrachten wie ein Vater seine Kinder. Es genügt nicht, genügend Taschengeld zu spendieren, sondern man muss in jedem einzelnen Fall auch einen Schuss Herzblut dazugeben."
Die Spielideen Randolphs sind minimalistisch. Auf den ersten Blick erscheinen sie meist abstrakt, strategisch und damit nicht unbedingt "massentauglich". Doch strahlen gerade seine Prototypen eine gewisse Eleganz aus – oft gepaart mit einem spielerischen Augenzwinkern. Gerade seinen Zeichnungen und Ideensammlungen sieht man die Freude am Einfachen und am Spielerischen an. Er liebte es Verbindungen zu schaffen, neue Wege zu erkunden, Labyrinthe zu entwerfen...
Seine ureigenen Spiele zeichnen sich durch einen hohen taktischen Wert aus. Fasziniert von Schach und vor allem der japanischen Variante Shogi schätzte Randolph das strategische Duell auf dem Feld. Sein in Fachkreisen berühmtes TwixT ist ein Zweier-Wettkampf im Rösselsprung, der ihn seit Kindheit an gefesselt hatte.
Randolphs Kunst bestand u.a. darin, Spielprinzipien klassischer Spiele mit feinen Kniffen zu neuen Spielen zu formen. Die daraus entstehenden Spiele basieren auf klaren Grundideen: Spielbretter wie Figuren sind einfach, die Zugmöglichkeiten reduziert, die Regeln kurz und verständlich. In dieser Einfachheit liegt das Geheimnis seiner prägnantesten Spiele wie Die guten und die bösen Geister, Tempo, kleine Schnecke! oder auch Hol's der Geier.
Daneben aber liebte Randolph Pokern und damit das Bluffen. Die Identität verbergen, den Gegner im Ungewissen lassen, den Feind in die Irre führen – das taktische Katz-und-Maus-Spiel auf dem Spielbrett. Thematisch offensichtlich ist dies in Spielen wie Inkognito, Top Secret! oder Xe Queo!
Das Wichtigste für Randolph jedoch war die Regel. Ohne Regel kein Spiel. Er legte großen Wert darauf, auch bei seinen taktischen Spielen, die Regeln möglichst kurz, knapp und einfach zu halten. Die Hürde von der Regel zum Spielspaß sollte eine kleine sein. Dennoch: Ein Spiel braucht Regeln, um gerecht zu sein. Nur – anders als im Leben unterwerfen wir uns diesen Regeln freiwillig und nur für eine gewisse Zeit: "Ich glaube, dass wir im Spiel die Gerechtigkeit finden, die wir im Leben nicht finden."
Auch durch die Anleihe an Märchen, Geschichten oder Genres bemühte sich Randolph, seine Spiele leichter zugänglich für Familien und Gelegenheitsspieler zu machen. Besonders häufig war dies der Fall bei gemeinsam entwickelten Spielen wie z.B. Drachenfels (zus. mit Leo Colovini), Die verbotene Stadt (zus. mit Johann Rüttinger) oder Uagga Uagga! (zus. mit Hajo Bücken).
Seinen größten und mit dem Jury-Preis "Spiel des Jahres" ausgezeichneten Erfolg verdankte Randolph dem Spiel Sagaland, das er zusammen mit Michel Matschoss auf der Sababurg unter dem Titel Der König will nicht mehr entwickelte. Bis heute wurde das Spiel millionenfach verkauft und in zahlreiche Sprachen übersetzt.