Schaustück des Monats Juli 2016:
Möbel made in Nürnberg. Das Riemerschmid-Ensemble anno 1900
Entwurf: Richard Riemerschmid (1868 – 1957)
Hersteller: J. Fleischauer's Söhne, Nürnberg
Datierung: 1900
Material: Buchenholz massiv, Eisenbeize
Wohnzimmereinrichtung: Speiseschrank, Kommode, Nähtischchen, Esstisch mit vier Stühlen
Besitzer: Museen der Stadt Nürnberg, Museum Industriekultur
Mit diesem Entwurf gewann Richard Riemerschmid, einer der führenden Vertreter des Münchener Jugendstils, im Jahr 1900 den ersten Preis einer Wettbewerbsausschreibung der Nürnberger König-Ludwig-Preisstiftung. Die komplette Einrichtung, ursprünglich bestehend aus Speiseschrank, Kommode, Esstisch, Bank und 4 Stühlen, Nähtischchen und Spiegel sollte die 16 qm große Wohnstube eines "minderbegüterten" Arbeiterhaushalts bestücken und nicht mehr als 350 Mark kosten. Riemerschmid entschied sich für eisengebeizte Buche und schlichte, bäuerlich anmutende Jugendstilformen und -motive, die bei der Käuferschaft, für die sie gedacht waren, keinen Anklang fanden. Bei einem Jahreseinkommen von etwa 1000 Mark war eine solches Zimmer für einen Arbeiter kaum erschwinglich. Davon abgesehen bevorzugten Arbeiterfamilien ohnehin eher Möbelformen des Historismus, die sich am bürgerlichen Geschmack der Zeit orientierten. Nur wenige Exemplare dieser Einrichtung, so die Überlieferung, fanden überhaupt einen Käufer.
Richard Riemerschmid, Spross einer wohlhabenden Münchener Fabrikantenfamilie, studierte nach dem Abitur an der Kunstakademie seiner Heimatstadt Malerei und arbeitete anschließend als freischaffender Künstler. In dieser Zeit entstanden Auftragsarbeiten wie seine Bildserien für die Sammelbilderalben des Schokoladenfabrikaten Ludwig Stollwerck wie auch seine Texte für die Zeitschrift "Jugend". Darüber hinaus verwirklichte er sich als Architekt, Gestalter und als Entwerfer von Gebrauchsgegenständen und Mobiliar – ein Universalkünstler im besten Sinne des Wortes.
Als Mitbegründer der Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk im Jahr 1897 und zehn Jahre später des Deutschen Werkbundes war er entscheidend beteiligt an der Entwicklung eines neuen Bewusstseins von Form, Funktionalität und Qualität bei der handwerklichen und industriellen Produktion jeglicher Art von Gegenständen des täglichen Gebrauchs (so geht der Begriff "Deutsche Wertarbeit" etwa auf die Gründer des Werkbundes zurück).
Zwischen 1898 -1931 entstanden nach seinen Plänen zahlreiche private und öffentliche Bauten, bei denen er zum Teil auch die komplette Innenausstattung entwarf. Von 1907 bis 1913 leitete Riemerschmid den Bau der ersten deutschen Gartenstadt in Dresden-Hellerau. Auch an der Entwicklung der Nürnberger Gartenstadt arbeitete er mit. Anschließend übernahm er die Leitung der Münchener Kunstgewerbeschule und später der Kölner Werkschulen.
Schon vor der Auflösung des Werkbundes 1934 durch die Nationalsozialisten zog sich Riemerschmid in sein Münchener Domizil zurück und widmete sich bis zu seinem Tod 1957 allein der Malerei.