Im Jahr 2014 übergab die Jury des Deutschen Spielepreises den Sonderpreis für das Lebenswerk an den Spieleautoren Wolfgang Kramer. Ein Œuvre von gut 200 publizierten Spielen mit einer Gesamtauflage von mehr als 10 Millionen verkauften Spielen weltweit über die letzten 40 Jahre. Dazu kommen noch 5 Auszeichnungen mit dem renommierten Preis "Spiel des Jahres", so viele wie kein Autor sonst erreicht hat, sowie unzählige weitere Preise und Empfehlungen national wie international.
Und trotzdem scheint außerhalb der Spielewelt kaum jemand seinen Namen zu kennen. Nach wie vor, ist der Spieleautor bei einem Großteil der spielenden Bevölkerung zweitrangig. Erstaunlich, wo doch einige seiner Spiele bis heute in vielen heimischen Spieleregalen zu finden sind. Wer kennt nicht die geheimnisvollen Agenten von Heimlich & Co (1984), das schnelle Kartenspiel 6 nimmt! (1994) oder ebenfalls einen seiner größten Erfolge El Grande (1996)?
Nicht nur Heimlich & Co und 6 nimmt! feiern 2014 Jubiläum, auch seine allererste Veröffentlichung beim ASS-Verlag Tempo jährt sich nun zum 40sten Mal. 1974 begab sich der ausgebildete Industriekaufmann und Systemanalytiker endgültig in das Reich der Spiele, zunächst aber noch neben seiner beruflichen Laufbahn bei der Firma Bosch. Denn die Spielewelt allein ernährt nur wenige und das Risiko ist hoch. So ging der gebürtige Schwabe "auf Nummer sicher" und verlegte seinen Erfinderehrgeiz auf den Feierabend. Die Voraussetzungen änderten sich aber, als Wolfgang Kramer 1986 mit Heimlich & Co und 1987 mit Auf Achse gleich zwei Mal hintereinander den auch damals schon begehrten Preis der Jury "Spiel des Jahres" erhielt. Der Preis bedeutete nicht nur Ruhm und Ehre, sondern schuf eine finanzielle Plattform, die Kramer 1989 dazu bewog, seinen "Brotjob" aufzugeben und hauptberuflich als Spieleautor tätig zu werden. Bis heute hat er diesen Schritt nicht bereut, gehört aber neben z.B. Klaus Teuber oder Reiner Knizia zu den wenigen Autoren, die tatsächlich von ihren Publikationen leben können.
Der Systematiker
Die Freude am Spiel hatte Wolfgang Kramer schon als Kind. Spielte er mit seiner Großmutter gerne Mensch ärgere dich nicht und Schwarzer Peter, forderte er später seinen Vater beim Scrabble. Während Ausbildung und Studium folgten auch ausgiebige Partien Monopoly, Schach und Skat. Der analytische Kopf brauchte aber bald größere Herausforderungen und begann, bekannte Spiele wie Playboss einfach abzuändern. Seine Mitstudenten waren von seinen Ideen begeistert und bestärkten ihn, doch eigene Spiele zu entwickeln.
Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass viele erfolgreiche Spieleautoren einen mathematisch-technischen Hintergrund besitzen, wie Ingenieure, Mathematiker, Architekten oder eben Systemanalytiker. Das Denken in Abläufen und logischen Zusammenhängen erleichtert das Durchdenken eines Spielablaufs mit all seinen Komponenten wie Würfel, Karten, spezielle Felder etc., die in das Spiel eingreifen. Wenn dann wie im Fall des Wolfgang Kramer noch eine kreative und auch fleißige Ader dazukommt, fehlt eigentlich nur noch das Quäntchen Glück, um ein Spiel einen Erfolg werden zu lassen.
Wolfgang Kramer betrachtet sich selbst auch mehr als den Handwerker und Spielemacher unter den Autoren, nicht als das kreative oder gar chaotische Genie. Seine Spiele sind alle durchdacht und haben Hand und Fuß. Selbst die sogenannten "Werbespiele" - Auftragsarbeiten als Werbemittel von Firmen - , die andere Autoren vielleicht mit weniger Liebe behandeln, haben Wolfgang Kramers volle Aufmerksamkeit.
"Ich versuche einfach, Produkte zu machen, die Niveau und Substanz haben und auch in 10 Jahren noch gespielt werden." (Playing Pano, 1993)
Von der Idee über das Einarbeiten in ein Thema, die Beobachtung der Szene und ihrer Trends bis hin zu vielen Testrunden und Korrekturen investiert der disziplinierte Autor viel Zeit und Kraft. Nach vielen Jahren in der Branche gibt er sich ca. drei Jahre für die vollständige Entwicklung eines Spiels. Er ist erst zufrieden, wenn das Spielsystem ein stimmiges und wenn möglich auch neues Ganzes ergibt.
"Denn die [Ausdauer] braucht man wirklich für die Tüftelei bis das Spiel fertig ist, d.h. ein logischer Spielablauf vorliegt, der beliebig oft wiederholt werden kann, ohne daß das Spiel seinen Spielreiz verliert. Außerdem sollte man immer nach dem Außergewöhnlichen suchen und sich nie mit dem Erreichten zufrieden geben. Ein gutes Spiel ist noch nicht fertig. Erst wenn es hervorragend ist, kann man die Entwicklung beenden." (Presseinformation Ravensburger, 1999)
Der Botschafter
Wolfgang Kramer war und ist immer auf der Suche nach dem nächsten guten Spiel, vielleicht auch nach dem Spiel schlechthin. Als Mitbegründer der Spieleautorenzunft setzte er sich von Anfang an für das Kulturgut Spiel und das Spielen an sich ein. Es ist zum einen kreativer Ausdruck und Umgang mit unserer Gesellschaft und zum anderen eine "Brücke zwischen den Menschen", wie er in zahlreichen Interviews ausführt.
Danach möchte er auch seine Spiele gestalten. Kritiker könnten das Entwicklung für den Mainstream nennen, aber es ist das Gegenteil: Wolfgang Kramer ist durch seine leicht zugänglichen und stimmigen Spiele ein Botschafter für das Spiel in unserer Gesellschaft. Seine Spiele sollen möglichst viele Menschen zusammen an den Spieltisch bringen. Sie sollen in erster Linie Spaß machen, zur Wiederholung reizen und ganz wichtig: keiner soll sich langweilen! Viele der Kramerspiele zeichnen sich gerade durch Mechanismen aus, die es allen Mitspielern erlauben, bis zum Ende dabeizubleiben, ohne dass der Sieger schon lange vorher feststeht. Heimlich & Co bildet hier ein Paradebeispiel, das bis heute beliebt ist – nicht nur bei Familien, sondern auch bei passionierten Spielern. Nur wenige Spiele werden dieser Anforderung über so lange Zeit hinweg gerecht. Und vielleicht ist es dann auch für ihn zweitrangig, wenn sein Name nicht ganz so bekannt ist – seine Spiele sind es allemal.
Dem oft gehörten Vorwurf, dass man doch eigentlich gar nichts mehr Neues erfinden könne und alles nur Variation von dem Prinzip "vom Start zum Ziel" wäre, begegnet er mit einem einfachen Vergleich:
"Auch bei jedem Krimi wird am Anfang einer umgebracht und am Ende einer geschnappt. Spannend bleibt's trotzdem." (Wochenpost, 1994)
Die Zukunft
Wolfgang Kramer arbeitet mit seinen über 70 Jahren noch weiter an seinen Ideen. Nach wie vor kann er nicht davon lassen. Sehr gerne arbeitet er auch mit Co-Autoren und publizierte schon viele Spiele zusammen mit Namen wie Richard Ulrich (z.B. El Grande, Die Fürsten von Florenz) und Michael Kiesling (z.B. Tikal, Torres, Abluxxen). Abgesehen von den neuen Spielen wie z.B. Glück auf oder Abluxxen, sind viele seiner Spielideen nach wie vor gefragt und erscheinen in Neuauflagen in aller Welt, was nur für die Qualität der Spiele spricht. Andere, nicht mehr verlegte Spiele werden im Internet hoch gehandelt. Das schön gestaltete Spiel Big Boss erreichte für einen wohltätigen Zweck den Preis von 350 EUR und wird auch im Internet für bis zu 150 EUR gehandelt.
Die Zeitschrift "das spielzeug" fragte ihn bereits 1985, was für Ziele er denn noch hätte und Kramer antwortete:
"Ja, wenn ich ehrlich bin: Ein oder zwei Klassiker, also Spiele, die man auch in zehn oder zwanzig Jahren noch spielt, die würde ich ganz gern noch machen." (das spielzeug, 1985)
Da wusste er noch nicht, dass er in den beiden folgenden Jahren schon zwei geschaffen haben würde. Das gesetzte Ziel hat er also fast schon überfüllt. Aber der in dieser Hinsicht ehrgeizige und beharrliche Schwabe macht weiter und arbeitet daran, dass der Preis "Spiel des Jahres" noch ein sechstes Mal ins Hause Kramer geht.
Kramer- Jubiläen 2014
- vor 40 Jahren wurde sein erstes Spiel Tempo veröffentlicht
- 30 Jahre Heimlich & Co
- 25 Jahre Mitternachtsparty/ Hugo, das Schlossgespenst
- 20 Jahre 6 nimmt!
- 15 Jahre Tikal
Spiele des Jahres
1986 Heimlich & Co
1987 Auf Achse
1991 Corsaro (Sonderpreis Kinderspiel)
1996 El Grande
1999 Tikal
2000 Torres
Noch mehr Informationen über Wolfgang Kramer und die gesamte Ludografie finden Sie auf der Website des Spieleautoren:
Kramer-Spiele
Mehr Informationen zu Wolfgang Kramers Spiel Heimlich & Co
Wolfgang Kramer war im September 2014 auch bei der Veranstaltung "Stadt-Land-Spielt!" im Deutschen Spielearchiv anwesend.
Bildergalerie zu "Stadt-Land-Spielt!"