Quietschig bunt und elektronisch
Das "Electronic TraumTelefon" als Sinnbild der 90er Jahre

Die zweite Auflage des Spiels aus dem Jahr 1997.

"Finde heraus, wer dich in diesem Spiel mit dem sprechenden Telefon mag!", verspricht die rosa-pinke Spieleschachtel vom "Electronic Traumtelefon". Zwei Mädchen in weiten Pullovern strahlen in die Kamera, zwischen sich ein pinkes, schnurloses Spielzeugtelefon. Dazu eine Menge Jungs mit Scheitelfrisur. Sofort wird Zeit und Zielgruppe dieses Spiels deutlich, wir befinden uns auf einer Zeitreise in die frühen 1990er Jahre.

Dabei ist das "Electronic TraumTelefon" eigentlich ein Deduktionsspiel wie beispielsweise Cluedo auch. Nur sucht man nicht nach Mörder und Tatwaffe, sondern nach – wie könnte es bei dieser Schachtelgestaltung auch anders sein – dem "Traumtypen". Mithilfe des pinken und batteriebetriebenen Telefons werden vorgegebene Jungen "angerufen". Die "Boys" mit so klingenden Namen wie Guido, Rainer oder Klaus geben am Apparat Hinweise. Wer am Ende die richtigen Schlüsse zieht, findet vor allen anderen "den einen, der dich mag".

Das "Electronic TraumTelefon" ist 1992 unter Copyright von Hasbro International in den USA erschienen und wurde seit 1993 in Deutschland von MB Spiele vertrieben. Damals wurde noch mit TV-Werbespots für Brettspiele geworben. Jedes Kind der 90er-Jahre erinnert sich sicher noch lebhaft an den "MB-Gong" und den Satz "Neu von MB", der im Werbeblock fast jeder Kindersendung erklang und Kinderherzen höherschlagen ließ. Eine zweite Auflage des Spiels im Jahr 1997 enthielt als passende musikalische Untermalung eine CD mit den angesagten Boygroup-Hits des Jahres.

Trotz der offensichtlichen Oberflächlichkeit ist dieses Spiel bewahrenswert. Es ist ein Zeitzeuge der quietschig bunten 90er-Jahre-Welt, in der alles möglich schien. Und ein Zeitzeuge für das vor allem in den Medien vermittelte Mädchen- und Frauenbild. Auch heute noch ist die soziale Zuschreibung typischer Geschlechtscharakteristika (Gendern) von Spielzeug üblich. Eine Unterscheidung in "Typisch Junge" und "Typisch Mädchen" wird vorrangig durch den immer gleichen Farbcode von Blau und Rosa sowie durch die spezifische Story transportiert, so auch beim "Electronic TraumTelefon". Dabei ließen sich die genutzten Spielmechanismen meist genauso gut in weniger offensichtliche geschlechtsspezifische Themen übertragen.

Das Spiel steht aber auch für die immer wieder stattfindende Verarbeitung von technischen Innovationen im Spiel. Ein schnurloses Telefon war für Privathaushalte Anfang der 90er eine erstrebenswerte Anschaffung. Kinder eifern den erwachsenen Vorbildern nach und können sich so im geschützten Raum des Spiels ausprobieren. Dennoch: Die Vermittlung vermeintlich weiblicher Werte in diesem Spiel für Mädchen ab 9 (!) Jahren bleibt diskussionswürdig.

Inzwischen ist das "Electronic TraumTelefon" eine Rarität und erzielt auf dem Sammlermarkt einen dreistelligen Preis. Wie etwa die Popliteratur auch, dienen Spiele wie dieses als kulturelle Zeugnisse für eine konsumfreudige Generation der Nachwendezeit, die sicher nicht immer alles hinterfragte, aber durch ihre bunte Offenheit und Überdrehtheit unverkennbar wurde.