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3.5 "Stadt der Reichsparteitage": Vorbild in der "Judenfrage"

Nürnbergs NS-Oberbürgermeister Willy Liebel betreibt mit dem Label "Stadt der Reichsparteitage" intensives Marketing. Die Altstadt mit ihren berühmten Sehenswürdigkeiten ist fester Programmpunkt für die Besucher der Reichsparteitage. Kaum eine Branche, die nicht auf wirtschaftlichen Profit hofft. Insbesondere das Geschäft mit Andenken jeder Art floriert.

Aus dem Selbstverständnis als zentraler Propagandaort leiten die lokalen Akteure eine Art Vorbildfunktion Nürnbergs in der "Judenfrage" ab: Boykottaktionen, der Abriss der Hauptsynagoge sowie die Enteignung jüdischen Eigentums werden in Nürnberg besonders früh und radikal durchgeführt.

Die Scherben einer Kristallvase erzählen von dieser Geschichte: Der Nürnbergerin Eva Rößner, damals zwölf Jahre alt, ist die Reichspogromnacht im November 1938 unvergesslich. Die Wohnung ihrer jüdischen Großeltern ist ein Trümmerfeld, alles ist zerschlagen und durcheinandergeworfen. Die Kristallvase wird in dieser Nacht zerstört. Bis zur Übergabe an das Dokumentationszentrum bleibt sie als wertvolles Erinnerungsstück in Familienbesitz.

Noch als über 80-jährige ist Eva Rößner fest überzeugt: "Spätestens nach diesen Ereignissen konnte keiner mehr sagen, er hätte von nichts gewusst."